Archiv der Kategorie: Redaktion

Die GGZ erhält eine aufgefrischte Website

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Angela von Lerber ist das Gesicht hinter phil-rouge: Sie konzipiert, schreibt und kreiert Content für On- und Offline-Publikationen.
Angela von Lerber
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Darum ging es beim Aufbau einer neuen Website für das Zürcher Gartenbauunternehmen GGZ

Seit dem 2. Juli ist sie online: die neue Website der GGZ Gartenbaugenossenschaft Zürich. Mit mehr als 100 Mitarbeitenden gehört das Gartenbauunternehmen zu den grossen Anbietern auf dem Platz Zürich. 1929 als Genossenschaft gegründet, hat die Firma ihre Rechtsform bis heute beibehalten. Bei so viel Tradition muss ein Unternehmen sich bewusst nach vorne orientieren; immer wieder. In diesem Bewusstsein ist die GGZ zu dem geworden, was sie heute ist: ein schlagkräftiges, modern geführtes Unternehmen. Als einer der ersten Betriebe der grünen Branche hat die GGZ vor einigen Jahren ein integriertes Nachhaltigkeitsmanagement eingeführt und die eingeschlagene Richtung seither konsequent weiterverfolgt.

Authentische Kommunikation

Beim neuen Webauftritt ging es darum, die Website technologisch wie inhaltlich den heutigen Anforderungen anzupassen. «Zeigen, wer wir sind und was wir können», lautete der Auftrag, «und das so authentisch wie möglich.» Für Emotionalität sorgen bewegte Gartenbilder und Aufnahmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie verleihen dem Unternehmen ein persönliches Gesicht.

Einblick in den Unternehmensalltag via Blog

Zentrales Element der neuen Website ist ein Blog, der dem Seitenbesucher Einblick in den Unternehmensalltag und ins Berufsbild des Landschaftsgärtners ermöglicht. Sporadisch kommen Fachthemen hinzu, die das breite Know-how des GGZ-Teams sichtbar machen. Ausserdem erhalten Auszüge aus den hochwertigen Themenbroschüren, die jeweils als Papiermailings an die Kunden verschickt werden, ein zweites und längeres Leben im Blog.

Mit Videosequenzen «Ab uf d‘Baustell»

Natürlich soll es auch an leichtfüssigeren Inhalten nicht fehlen: In unterhaltsamen Videosequenzen «Ab uf d‘Baustell» (moderiert und produziert von Radiomann Martin Diener) zeigen die Landschaftsgärtner*innen der GGZ, an welchen Projekten sie gerade arbeiten. Auch einfache Arbeiten wie Unkraut jäten bekommen hier gebührende Beachtung. Denn eines der Führungsprinzipien bei der GGZ lautet: «Jede Arbeit ist wichtig» – und hat es somit verdient, wertgeschätzt zu werden.

 

Mit der neuen Website ist die Grundlage gelegt, um später auch auf Social Media aktiv zu werden, wo dies für eine regional verankerte Firma mit analogem Geschäftsmodell sinnvoll ist. Der Boden für zukünftige Entwicklungen ist vorbereitet und die ersten Pflänzchen sind gesetzt. Sie sollen nun gut gepflegt werden, denn ein blühender Garten wächst nicht über Nacht.

Verantwortlich für den neue Webauftritt der GGZ:

  • Website und Gestaltung: Markus Frehner, fortissimo
  • Text und Redaktion: Angela von Lerber, phil-rouge
  • Fotografie: Felix Zollinger
  • Videos «Ab uf’d Baustell»: Martin Diener
  • SEO: Andreas Räber, Räber Marketing & Internet

Jahresbericht 2018 von LIV – Leben in Vielfalt

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LIV Jahresbericht: Einblick in die Aktivitäten einer Institution für Menschen mit Behinderung

Mein alljährliches Herzensprojekt, der Jahresbericht für LIV – Leben in Vielfalt, ist inzwischen unter den Leuten. Mit einem vielfältigen Wohn- und Beschäftigungsangeboten fördert die kantonale Institution von Basel-Stadt die Selbständigkeit und die Teilhabe erwachsener Menschen mit einer Beeinträchtigung. Im vergangenen Jahr war LIV vor allem mit der Umsetzung des neuen kantonalen Behindertenhilfegesetzes beschäftigt, das einen Systemwechsel hin zur bedarfsorientierten Finanzierung mit sich brachte.

Schwerpunktthema «Angehörige»

Abgesehen von der Berichterstattung über die Aktivitäten des vergangenen Jahres kommen in diesem Jahresbericht auch eine Reihe Angehöriger zu Wort. Bereitwillig haben sie sich für ein Gespräch zur Verfügung gestellt und geben Einblick in ihr Erleben: Wie ist es, wenn ein Familienvater aus heiterem Himmel von einem schlimmen Gendefekt, der Huntington Krankheit, heimgesucht wird? – Wie kommt man damit zurecht, wenn man als ganze Familie von dieser neurodegenerativen Erbkrankheit betroffen ist? – Auch zwei Mütter von stark verhaltensauffälligen Söhnen mit Autismus kommen zu Wort und sprechen über die Grenzen, an die sie stossen. Wohin soll eine Mutter sich wenden, wenn sie nach der heilpädagogischen Schule einfach keine passende Anschlusslösung für ihren Sohn findet? Wenn er überall aneckt? Für Erwachsene aus dem Spektrum Autismus gibt es nach wie vor viel zu wenig Angebote.

Wahre Geschichten, wahre Heldinnen, wahre Helden

Es sind wahre Geschichten, die hier erzählt werden. Die Hinternisse und Herausforderungen sind für die Betroffenen oft grenzenlos. Ein Happy End ist nicht in Sicht. Trotzdem haben die Menschen, die ich getroffen habe, etwas geschafft: Sie sind dankbar für alle guten Momente und für alles, was in ihrer schweren Situation Linderung bewirkt. Vor allem aber, wenn sie ihr Kind, ihren Ehepartner, einen Elternteil in guten Händen wissen.

Gut, dass es Institutionen, wie LIV gibt!

(Fotografie und Gestaltung des Jahresberichts: Stephan Jungck, fortissimo)

Ältere Blogbeiträge über LIV:
Das neue Wohnheim Klosterfiechten

Echte «Teigwahrheiten» von Helena & Co.

 

Büro für leichte Sprache

Leichte Sprache: Schlüssel zur Teilhabe oder einfach ein erster Schritt?

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Cornelia Kabus vom Büro Leichte Sprache Basel im Gespräch

Das Büro Leichte Sprache in Basel gehört zur Stiftung WohnWerk, einer Institution für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung. Im Auftrag von Organisationen, Behörden – und immer häufiger auch von Unternehmen – überträgt die Leiterin, Cornelia Kabus, anspruchsvolle Texte in leichte Sprache. Leichte Sprache richtet sich an Menschen, die Mühe haben, Schrifttexte ohne fremde Hilfe verstehen zu können. So einfach es klingt, das Übertragen von Texten in leichte Sprache ist ein langwieriger Prozess. Bei der Stiftung WohnWerk stehen Cornelia Kabus  dazu fünf Prüferinnen und Prüfer zur Seite. Ihnen obliegt im Rahmen einer geschützten Arbeitsstelle die Aufgabe, die übertragenen Texte an die Linguistin zurück zu spiegeln. Oft werden Verständnislücken erst in diesem Prozess offenbar. Wie anspruchsvoll es sein kann, sich in die Wahrnehmung der Zielgruppe hineinzuversetzen, erfahren wir im Gespräch mit Cornelia Kabus:

Cornelia Kabus, auf Ihrer Website unterscheiden Sie zwischen leichter Sprache und einfacher Sprache? – Können Sie dazu etwas sagen?

Grob gesagt richtet sich die leichte Sprache vor allem an Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Es sind Menschen mit deutscher Muttersprache, die zwar lesen können, für die aber das Verständnis – insbesondere der Schriftsprache – ganz schwierig ist. Oft verstehen sie ganze Konzepte nicht, zum Beispiel die Mathematik. Jemandem, der nicht rechnen kann, die Bedeutung von 10 % zu erklären, ist schwierig. Dazu müsste man erst einmal eine Mathematikstunde einschalten.

Bei der einfachen Sprache ist die Zielgruppe eine andere. Das können Menschen mit einem Migrationshintergrund sein. Diese kennen zwar durchaus die Konzepte, sind aber der deutschen Sprache nicht so mächtig. Deshalb brauchen sie weniger Erklärungen. Auch werden diese Menschen irgendwann nicht mehr auf die einfache Sprache angewiesen sein. Nämlich dann, wenn sie sich die Sprache angeeignet haben. Die einfache Sprache bewegt sich irgendwo zwischen der leichten Sprache und der Standardsprache. Wenn man die Zielgruppe kennt, kann man den Grad der Vereinfachung anpassen – je nachdem, auf welchem Niveau sich das Verständnis bewegt.

Nehmen wir das Beispiel der 10 % auf, das Sie vorhin erwähnt haben. Wie erklären Sie 10 % in leichter Sprache?

Die leichte Sprache stösst an Grenzen, wo man pragmatisch sein muss. Ich kann zum Beispiel sagen: ein kleiner Teil. Oder ich stelle die Mengenangabe grafisch dar und zeige, wie viel das Ganze wäre und wie viel 10 % davon. Ich kann auch bildlich sprechen: Man schneidet einen Kuchen in zehn Stücke – ein Stück ist dann 10 % davon. Meistens haben wir es allerdings nicht mit runden Zahlen zu tun, bei 17 % wird es schon schwieriger. Es gibt bei der leichten Sprache häufig Dinge, die man aus pragmatischen Gründen einfach weglassen muss. Denn wenn wir ein Lexikon an Erklärungen anhängen, ist die Zielgruppe genauso überfordert.

Arbeiten Sie primär am Wortschatz? – Oder wie gehen Sie konkret vor?

In meinen Weiterbildungen zu einfacher oder leichter Sprache unterscheide ich zwischen Zeichenebene, Wortebene, Satzebene und Textebene. Zum Schluss kommt noch die Gestaltungsebene dazu. Wir arbeiten uns von der kleinsten zur grössten Ebene vor. Auf der Wortebene lässt sich übrigens gar nicht so viel machen, wie man denkt. Es ist eben keine Übersetzung, sondern eine Übertragung in leichte Sprache. Zum Beispiel Fachwörter sind so eine Sache. Für sie gibt es kein einfaches Äquivalent. Ich kann ja nicht einfach ein Wort erfinden, das einfacher klingt. Wenn ein Fachbegriff wichtig ist, muss ich ihn so stehen lassen und erklären, was er bedeutet. Am meisten zu tun gibt es auf der Satzebene. Die leichte Sprache kennt ausschliesslich Ein-Aussage-Sätze. Das sind Hauptsätze mit nur einer Aussage ohne Nebensatz. Leichte-Sprache-Texte sind Listen ohne Satzzusammenhalt. Jeder Satz fängt in einer neuen Zeile an. Und leichte Sprache ist immer ganz konkret.

Wann kommen die Prüferinnen und Prüfer ins Spiel?

Die kommen nur bei der leichten Sprache ins Spiel. Ich orientiere mich hier an den Schwächsten. Wenn die es verstehen, dann kann ich hoffen, dass die übrigen es auch verstehen. Mein Prüferteam hier beim WohnWerk besteht aus fünf Personen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Bei der Zusammenstellung habe ich darauf geachtet, dass die Gruppe möglichst heterogen ist: mit schwerer oder weniger schwerer Beeinträchtigung, Männer, Frauen, ältere und jüngere Personen. Davon ausgehen, dass sie mir nach der Lektüre sagen, sie hätten dieses oder jenes nicht verstanden, kann ich allerdings nicht. Das sind Menschen, die sich ein Leben lang Strategien angeeignet haben, um sich nicht anmerken zu lassen, dass sie etwas nicht verstanden haben. Ich muss sie aufmuntern: ‚Toll, wenn ihr etwas nicht versteht, Ihr seid jetzt die Experten‘. Auch wenn ich es hundertmal sage, ich muss doch immer wieder herausspüren, dass sie etwas nicht verstanden haben und versuchen, es zu kaschieren. Ich stelle dann offene Fragen und lasse sie nacherzählen, was in dem Text steht. Oder ich lasse den Text laut vorlesen und merke an der Betonung des Wortes, dass es nicht verstanden wurde. Kürzlich hatten wir in einem Text den Satz: «Für wen ist die Hausordnung?» – Der Prüfer las vor: «Für ‚wenn‘ ist die Hausordnung?» Als ich nachhakte, stellte sich heraus, dass er verstand, für welchen Zeitpunkt die Hausordnung gedacht sei. So konnten wir das klären.

Ich bin nun bald fünf Jahre dabei und weiss, wie ich es angehen muss. Dennoch gibt es immer wieder neue Formulierungen, bei denen ich nie draufgekommen wäre, dass man sie auch anders verstehen könnte.

Ihr Büro in Basel war das erste Büro für leichte Sprache in der Schweiz. Wie kam es dazu?

Ursprünglich wurde die leichte Sprache in den USA angedacht, in Schweden griff man die Idee dann auf. Zunächst gab es nur die einfache Sprache und die leichte Sprache entwickelte sich daraus später. In Deutschland gibt es die leichte Sprache seit 2002. Nachdem immer mehr Büros für leichte Sprache entstanden sind, richtete die Universität Hildesheim eine Forschungsstelle ein und fand heraus, dass die leichte Sprache, wie sie bis dahin praktiziert worden war, teilweise gar nicht zur besseren Verständlichkeit beigetragen hatte. Vor allem aber fiel auf, dass es für die Übersetzer keine Handhabe gab, auf die sie sich stützen konnten. So wurde das Thema, das von sozialpädagogischer Seite initiiert wurde, erstmals von der linguistischen Seite angegangen. Dank dieser Forschung stehen uns heute eben diese Tipps zur Verfügung, wie man zum Beispiel Schachtelsätze in einzelne Hauptsätze auflösen kann. Die Forschungsstelle Leichte Sprache in Hildesheim bot dazu eine Weiterbildung an, die ich schon kurz nach der Gründung unseres Büros besuchte. Das war sehr wertvoll. Ich informiere mich dort immer noch regelmässig über neue Erkenntnisse.

Inzwischen gibt es auch in der Schweiz mehrere Büros für leichte Sprache. Arbeiten Sie in irgendeiner Form zusammen?

Wir arbeiten alle unabhängig. Wir müssen uns ja alle irgendwie finanzieren. Und das ist leider nicht von irgendeiner unabhängigen Stelle gewährleistet. Wir sind alle am Kämpfen, wie überall in der Kommunikation. Im Gebiet der leichten Sprache ist es noch schlimmer, weil da der Aufwand viel grösser ist. Eigentlich müssten wir ja die doppelten Tarife verlangen, aber das ist unrealistisch, da wir ja meist für soziale Organisationen arbeiten. Es gibt ein Netzwerk ‚Leichte Sprache Schweiz‘. Gerade kürzlich hatten wir ein Netzwerktreffen, zu dem aber nur acht Personen gekommen sind. Die Leute überlegen sich eben, ob ihnen der fachliche Austausch mit anderen einen halben Tag wert ist. Ich persönlich finde es sehr wertvoll.

Wenn Sie einen Wunsch im Hinblick auf die leichte Sprache anbringen könnten, welcher wäre das?

Da gibt es zwei Wünsche: Der eine wäre, dass die Dienstleistung irgendwie staatlich finanziert würde. Denn ich finde, das wäre eigentlich eine Aufgabe der Gesellschaft. Wenn man wirklich Inklusion will, kann man dies nicht auf dem Rücken einiger sozialer Institutionen austragen lassen, sondern muss sich insgesamt darum kümmern.

Zum anderen würde ich mir wünschen, dass Inklusion und Teilhabe auch auf anderer Ebene noch stärker vorangetrieben würden. Für meinen Geschmack konzentriert man sich zu stark auf leichte Sprache und sagt: «Wir haben ja jetzt unsere Website übersetzt.» Der Bund zum Beispiel übersetzt sehr viel in leichte Sprache, weil er die Behindertenrechtskonvention umsetzen will. So nach dem Motto: «Wir haben unser Behindertenkonzept in leichte Sprache übersetzt. Wunderbar, jetzt haben wir unsere Pflicht erfüllt.» Das Problem dabei ist, dass die Realität eine andere ist. Menschen mit einer Beeinträchtigung haben nie gelernt, dass sie ein Mitspracherecht haben. Die wissen gar nicht, was das ist. Die wissen noch nicht mal, was es bedeutet, sich selbst zu informieren. Wenn ich sie frage, wie würdest du hier oder da entscheiden, haben sie keine Ahnung. Wenn man wirklich will, dass sie abstimmen dürfen, dann müsste man ihnen erst einmal erklären, was überhaupt Politik ist. Viele kennen noch nicht einmal den Begriff. Es gibt natürlich Grenzen. Kognitive Grenzen. Aber viele von ihnen könnten auf jeden Fall sehr viel mehr. Viele könnten viel selbstständiger sein, werden aber vom System unselbstständig gehalten. Da müsste auf vielen Ebenen noch sehr viel laufen, damit sie inkludiert werden und mehr Möglichkeiten haben, mitzuentscheiden. Es reicht nicht zu sagen: Hier habt ihr einen Text, jetzt informiert euch und nun seid ihr selbst verantwortlich. Für Teilhabe braucht es mehr als einen Text in leichter Sprache. Wenn auch die leichte Sprache ein sehr wertvolles Instrument dazu ist. Aber sie ist eben nur ein Instrument.

Links:

Leichte Sprache – das Regelbuch, Prof. Christiane Maaß, Forschungsstelle Leichte Sprache, Universität Hildesheim: https://www.uni-hildesheim.de/media/fb3/uebersetzungswissenschaft/Leichte_Sprache_Seite/Publikationen/Regelbuch_komplett.pdf

Das Büro Leichte Sprache bietet regelmässig Weiterbildungen in leichter Sprache an. Informationen dazu gibt es hier: https://www.leichte-sprache-basel.ch/Unser-Angebot/Weiterbildung/PvUZq/

 

 

Wanderausstellung «Suizid – und dann?»

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Die Wanderausstellung «Suizid – und dann?» kann ab sofort gebucht werden

Wanderausstellung Suizid

4 Module mit insgesamt 19 Panels sensibilisieren und informieren über Suizidalität und mögliche Folgen für Hinterbliebene

Ab sofort steht die Wanderausstellung «Suizid – und dann?» interessierten Organisation für die Ausleihe bereit. Im Auftrag des Vereins Trauernetz durfte phil-rouge bei der Konzeption und Umsetzung der Ausstellungsmodule mitarbeiten. Visuell gestaltet hat die insgesamt 19 Ausstellungspanels der Fotograf und Grafiker Stephan Jungck.

16.10.2018, von Angela von Lerber

Die Wanderausstellung informiert über Suizidalität und die möglichen Folgen für Hinterbliebene. Sie richtet sich an die breite Bevölkerung wie auch an Fachpersonen und beruflich Involvierte, die in ihrem Alltag mit Suizid konfrontiert sind. Im Rahmen des zweijährigen Aktionsplans Suizidprävention des Bundes hat das Bundesamt für Gesundheit BAG die Konzeption und Produktion dieser Ausstellung sowohl finanziell wie auch fachlich unterstützt.

Wie umgehen mit Suizid?

Täglich scheiden in der Schweiz zwei bis drei Personen freiwillig aus dem Leben. Darüber hinaus werden tagtäglich bis zu dreissig Personen nach einem missglückten Suizidversuch medizinisch betreut. Wäre es da nicht unsere Pflicht, sie vor dem vorzeitigen Tod zu beschützen? Dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst soweit kommt? – Oder handelt es sich beim Suizid um den freien Willensentscheids eines selbstverantwortlichen Menschen, den es zu respektieren und zu akzeptieren gilt?

Orientierung für Betroffene und helfende Berufe

Betroffenen Angehörigen bleibt nach dem Schock über das Unfassbare nur letzteres übrig. Für sie beginnt mit dem Suizid ein komplizierter und langer Leidensweg. Sogar in unserer säkularisierten Gesellschaft ist ein Suizid nach wie vor tabubehaftet. Wir wissen nicht, wie damit umgehen, wenn in unserer nächsten Umgebung ein Suizid passiert. Um betroffene Trauernde und ihrem persönlichen Beziehungsumfeld zur Seite zu stehen, hat Jörg Weisshaupt den Verein Trauernetz gegründet, nachdem er viele Jahre sowohl beruflich wie auch ehrenamtlich Betroffene betreut hat. Jörg Weisshaupt war Notfallseelsorger, hat bei der Gründung und Betreuung diverser Selbsthilfegruppen für Hinterbliebene mitgewirkt, hat zahlreiche Schulungen und Veranstaltungen zum Thema durchgeführt und wirkt mit im Vorstand des Vereins Ipsilon (Initiative zur Prävention von Suizid in der Schweiz).

Textpassagen aus dem Buch «Darüber reden – Perspektiven nach Suizid»

Die Wanderausstellung «Suizid – und dann?» enthält unter anderem Texte von Hinterbliebenen aus dem Buch «Darüber reden – Perspektiven nach Suizid», das 2013 im Verlag Johannes Petri erschienen ist.

Kostenfreie Ausleihe beim Verein Trauernetz

Gemeinden, Schulen, Organisationen, Vereine und Unternehmen, die zum Thema Suizid sensibilisieren möchten, können die mobile Ausstellung leihweise beim Verein Trauernetz beziehen. Darüber hinaus unterstützt der Verein Trauernetz interessierte Institutionen bei der Organisation von Fachreferaten, Filmvorträgen, Podiumsdiskussionen oder Schulungen.

Die Ausstellung besteht aus 4 Modulen mit insgesamt 19 Rollups (85cm x 211 cm), die als Gesamtpaket oder modular geliehen werden können. Die Ausleihe ist kostenfrei – für den Transport muss der Veranstalter aufkommen.

Ausleihe Wanderausstellung: Trauernetz

 

Klosterfiechten Architektur für Autismus

Das neue Wohnheim Klosterfiechten

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Nüchtern, transparent und unverwüstlich: Klosterfiechten wurde gebaut für Menschen mit Autismus

Im neuen Wohnheim Klosterfiechten von «LIV Leben in Vielfalt» in Basel leben auf zwei Wohngruppen verteilt acht bis zehn Menschen mit einer Autismus-Störung. Es sind Klientinnen und Klienten mit starken Verhaltensauffälligkeiten, die hier ein betreutes Zuhause gefunden haben. Die Architektur ist ganz auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet.

15.5.18, von Angela von Lerber

Die Klientinnen und Klienten von Klosterfiechten werden intensiv und individuell im Alltag begleitet. Tagsüber nutzen sie eines der Tagesstruktur-Angebote von LIV. Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen erhalten Raum, damit sie reflektiert und verstanden werden können. Transparente Strukturen bringen Orientierung und Stabilität in die Alltagsbewältigung. Ziel der Begleitung ist es, mit Klientinnen und Klienten Handlungsstrategien für den Umgang mit ihrer Informationsverarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung zu entwickeln.

Autisten verarbeiten Reize anders

Klosterfiechten vandalensichere Möblierung

Die Möblierung: Gelungener Kompromiss zwischen «vandalensicher» und «wohnlich»

Die Ausprägungen im Spektrum Autismus sind sehr verschieden. Was allen Autisten gemeinsam ist: Sie sind in ihrer Informationsverarbeitung beeinträchtigt. Alltägliche Reize wie Licht, Lärm, Informationen oder optische Eindrücke können zu grossem Stress führen. Menschen mit autistischer Wahrnehmung müssen im Chaos der auf sie einstürzenden Sinneseindrücke ständig Ordnung schaffen, womit sie schnell einmal überfordert sind. Die erlebten Irritationen können zu starken Verhaltensauffälligkeiten wie Ordnungszwang, Ticks, Selbstverletzungsgefahr oder zu aggressiven Ausbrüchen führen.

Klosterfiechten bietet Menschen mit Autismus optimale Rahmenbedingungen

Medikamente können helfen, die Begleiterscheinungen von Autismus zu lindern. Autismus zu heilen vermögen sie nicht. LIV verfolgt deshalb einen agogischen Ansatz. Das Ziel ist, Autismus besser zu verstehen, um mit den Betroffenen Strategien zur Bewältigung ihres Alltags zu entwickeln. Dazu braucht es geeignete Rahmenbedingungen. Im neuen Wohnheim Klosterfiechten sind diese nun optimal gegeben.

«Ich wünschte mir, es gäbe in allen Regionen der Schweiz bedarfsgerechte Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Autismus. So müssten sie nicht aus ihrem Umfeld gerissen werden. Die sozialen Kontakte zum nahen Umfeld sind sehr wichtig.» Martina Bötticher, Geschäftsführerin LIV

Die wichtigsten Anforderungen an den Neubau Klosterfiechten

Im Vorfeld formulierte ein internes Projektteam ein umfangreiches Bündel an Anforderungen an den Neubau mit folgenden Hauptkriterien:

  • Sicherheit und Vermeidung von Verletzungsgefahr
  • eine robuste und strapazierfähige Ausstattung
  • möglichst geringe Reizeinwirkung
  • einfache Orientierung
  • zentrale Organisation für die Mitarbeitenden

Intensive Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung

Gewonnen hat die Ausschreibung die ARGE Beer+Merz Architekten zusammen mit Stump&Schibli Architekten. Bereits im Wettbewerb hatte die engagierte Architektengemeinschaft eine Autismus-Fachperson beigezogen. Vieles, was ihnen in dieser Phase nahegelegt wurde – zum Beispiel die Abgrenzung von Räumen durch verschiedene Bodenbeläge – führte schliesslich zu einer völlig anderen Lösung, die aber trotzdem funktionierte. Entscheidend war, dass die Architekten die Vorgaben von LIV sehr ernst nahmen und sich immer wieder fragten: Wie bewegen sich diese Menschen? Wie leben sie? Weshalb stehen diese Aspekte im Projektprogramm? Wo überall braucht es Brüstungen? Warum dürfen die Fenster nur so und so gross sein?

«Die schlaue Lösung für eine besondere Aufgabe wie diese kann man nur zusammen mit den Nutzern finden.» Yves Stump, Architekt, Stump & Schibli Architekten

Getrennte Eingänge, kurze Wege

Aufgang Wohnheim Klosterfiechten

Getrennte Eingänge vermeiden Konflikte und sorgen für Klarheit

Aus dem Hinweis, beim Zugang zur Wohneinheit sei es in der Vergangenheit immer wieder zu Stressmomenten gekommen, haben die Architekten das Raumgefüge abgeleitet: je ein separater Zugang zu den Wohngruppen, und die Dienstzimmer für die Mitarbeitenden auf der gleichen Etage zwischen den beiden Wohneinheiten angeordnet. Auch über den Nachtdienst und mögliche Fluchtwege diskutierten die Architekten stundenlang, bis die perfekte Lösung gefunden war. Auf externe Besucher mag diese Lösung introvertiert wirken. Doch genau dieses Umhüllende schafft Sicherheit. Das Raumgefüge ist einfach und klar in der Zuordnung und bedarf keiner Erklärung: Die Klienten betreten das Gebäude über ein Entree, wo für jeden das eigene Garderobenkästchen bereitsteht. Von dort führt eine Treppe hoch, an deren Ende sie «ankommen» und ohne Ballast in den Wohnbereich eintauchen können.

Entspannung für Wohngruppenleiter und Klienten

Wohngruppenleiterin Anika Spiegelhalter schätzt am Neubau, dass sich jetzt alles auf einer Ebene abspielt: «War man im alten Gebäude auf sich allein gestellt mit einer Person, die gerade einen aggressiven Ausbruch hatte, können wir uns jetzt, wo alles auf der gleichen Etage ist, im Krisenfall gegenseitig schnell zu Hilfe eilen. Als Mitarbeiterin fühle ich mich dadurch viel sicherer.» Die Krisenhäufigkeit in den neuen Räumlichkeiten hat stark abgenommen.

Klare Orientierung, weniger Irritation

Klosterfiechten rerizarme Wohnräume

Eine schallschluckende Decke und gedämpftes Licht schaffen eine reizarme Atmosphäre

Auch Wohngruppenleiter Patrick Teifel stellt fest, dass es kaum noch problematische Ecken und Winkel gibt: «Man kann eigentlich überall ausweichen.» Zudem findet er die neue Raumaufteilung übersichtlich. Klienten, die das Bedürfnis nach indirekter Kontrolle haben, könnten nun einfach die Zimmertür offen lassen, um sicher zu sein, dass jemand da ist. Andere beschäftigten sich mit Neuem, würden Spiele holen oder ins Wohnzimmer gehen, um zu schauen, was im Fernseher läuft. Früher habe es einfach zu viele Angriffsflächen gegeben, Dinge zu verschieben, um eine Ordnung herzustellen. Im neuen Setting gebe es nichts mehr zu korrigieren.

Jede Person eine eigene Nasszelle

Auch dass jede Person eine eigene Nasszelle hat, erweist sich als grosser Vorteil, denn verschiedene Klienten können Toilette und Wasserhahn unterschiedlich selbstständig benutzen. Im früheren Gemeinschaftsbad führte dies oft zu Konflikten. Nun kann jeder das Bad so gestalten, wie er mit der Einrichtung umgehen kann.

«Das Agogische, die Sicherheit und die Ordnung. Diese drei Faktoren sorgen für Lebensqualität.» Lambert Schonewille, Leiter Spektrum Autismus bei LIV

Freiraum für die agogische Arbeit

In den neuen Räumlichkeiten kann LIV mit den gleichen Ressourcen für die Klientinnen und Klienten mehr bewirken, da die Architektur enorm zum Stressabbau beiträgt. Die weitgehend selbsterklärende Raumgestaltung, die bessere Orientierung und die Sicherheit sind die entscheidenden Faktoren. Viele Konflikte tauchen gar nicht mehr erst auf. Dadurch sind Freiräume für die agogische Arbeit entstanden, was nicht nur den Klientinnen und Klienten zu Gute kommt, sondern auch den Betreuerinnen und Betreuern.

Das Bauprojekt Klosterfiechten

  • Ersatzneubau Wohnheim Klosterfiechten
  • Wettbewerb 2013, Ausführung 2014– 2016
  • Eigentümervertreter: Immobilien Basel-Stadt
  • Bauherrenvertreter: Hochbauamt Basel-Stadt
  • Nutzer: LIV, Leben in Vielfalt
  • Totalunternehmer: Hürzeler Holzbau AG
  • ARGE: Stump&Schibli Architekten und Beer+Merz Architekten

Weitere Blogbeiträge zu LIV Leben in Vielfalt

  • Jahresbericht 2018 von LIV – Leben in Vielfalt
  • Leichte Sprache: wie sie Worthülsen aufdeckt
  • Echte «Teigwahrheiten» von Helena & Co.

 

Pantomime Yoram Boker an der World Mime Conference 2018

Stelldichein der Pantomimen in Belgrad

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Über 70 Teilnehmer aus 21 Nationen trafen sich zur ersten World Mime Conference

27.3.2018, von Angela von Lerber

Welche Bilder gehen Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das Wort Pantomime hören? – Lebende Statuen als Touristenattraktion entlang einer belebten Flaniermeile, ein verstaubtes Theater in irgendeinem Hinterhof oder gähnende Langeweile in halbleeren Zuschauerreihen? Mit solchen Vorurteilen räumt die World Mime Organisation auf. 2004 vom serbischen Mimen Marko Stojanović und seinem israelischen Berufskollegen Ofer Blum ins Leben gerufen, lud die Organisation vom 21. bis 23. März 2018 zur ersten World Mime Conference nach Belgrad.

Pantomime Marko Stojanović

Marko Stojanović, Präsident der World Mime Organisation, begrüsst die Gäste aus aller Welt

Lange haben die beiden Initiatoren davon geträumt, die Bühnenkünstler der Pantomime und des Körpertheaters sowie ihre Ausbildungsstätten und Institutionen aus allen Ecken der Welt an einem Ort zusammenzubringen. Als Termin für das erste Stelldichein der Mimenkunst wählten sie den World Mime Day vom 22. März, der gleichzeitig der Geburtstag des wohl weltbekanntesten Mimen Marcel Marceau ist. Über 70 Teilnehmer aus 21 Ländern sind dem Ruf nach Belgrad gefolgt – einige per live Zuschaltung über Skype.

Eine Stimme für die leisen Töne der Pantomime

In seiner Ansprache bringt Vizepräsident Ofer Blum das Anliegen des Zusammentreffens auf den Punkt:

«Wir wollen die Pantomime vom Stigma der Antiquiertheit befreien und aufzeigen, welches Potenzial diese Kunstform in sich trägt.» (Ofer Blum)

Die vom Hunter College New York zugeschaltete Theater-Professorin Mira Felner bestätigt seine Diagnose: unter den neuen Studenten am Hunter College kannte gemäss Umfrage nur eine einzige Studentin aus Frankreich den Namen des wohl weltbekanntesten Mimen Marcel Marceau. Höchste Zeit also, diesen Tatbestand zu ändern.

Teilnehmer aus vier Kontinenten

Preisträger Carlos Martínez erzählt aus seinem Schaffen

Die Teilnehmer der ersten World Mime Conference kamen aus Nord-, West- und Osteuropa, den USA, Kolumbien, Brasilien, Japan, China, Bangladesch und Sri Lanka. Eine ansehnliche Gruppe stammte aus Serbien, wo der lokale Organisator Marko Stojanović seit Jahren sein Netzwerk aufbaut und pflegt. Nebst der jährlichen Preisvergabe für besondere Verdienste in der Welt der Pantomime erwartete die Teilnehmer ein dicht gedrängtes Programm. Die Grenzen der Pantomime wurden auslotet und eifrig diskutiert. Wenn man sich auch nicht immer einig war, wo Pantomime aufhört und moderner Tanz anfängt – in einem Punkt stimmte man überein: Die Pantomime hat sich weiter entwickelt und vermag viel mehr zu bewirken, als gemeinhin angenommen wird.

 

Verleihung der World Mime Awards

World Mime Conference 2018

Verleihung des World Mime Awards 2018

Schon in früheren Jahren hat die World Mime Organisation einen Preis für besondere Verdienste im Bereich der Pantomime vergeben. Diesem Jahr waren es gleich fünf Preise, die an Bühnenkünstler oder Institutionen vergeben wurden. Einen davon erhielt der spanische Mime Carlos Martínez, der auch in der Kleinkunstszene der Schweiz kein Unbekannter ist und seit bald vier Jahrzehnten mit seinen Soloprogrammen auf den Bühnen der Welt tourt. Die weiteren Preisträger waren:

Pantomime Theater Shalikashvili

Amiran Shalikashvili jr. präsentiert den spektakulären Neubau, den das staatliche Pantomime-Theater von Georgien in Tiflis plant.

  • Ella Jaroszewicz, Paris
  • Pantomimteatern, Stockholm
  • Das staatliche Pantomime-Theater Shalikashvili, von Geogien, Tiflis
  • Das International Monodrama & Mime Festival, Zemun (Serbien)

Kaleidoskop der Pantomime

Über die Bühne hinaus eignet sich die Pantomime als grossartiges Instrument zur Inklusion von benachteiligten oder körperlich beeinträchtigen Menschen. Die Arbeit mit dem Körper wie das gemeinsame Erleben und Auf-der-Bühne-stehen stärken das Selbstwertgefühl. Aus naheliegenden Gründen pflegt insbesondere die Gehörlosencommunity die Kunst der Pantomime. Lepa Petrović, Leiter der Gehörlosenschule in Belgrad, Julijana Lekić von der serbischen Vereinigung der Gebärdendolmetscher und der gehörlose Mime Ivan Beader erzählten von Pantomime-Projekten unter Gehörlosen. Auf besonderes Interesse stiess die Idee, gemeinsame Bühnenprojekte mit Gehörlosen und Hörenden zu realisieren – endlich auf gleicher Augenhöhe. Mime Nemo aus Deutschland wiederum berichtete, wie er mit seinem Projekt Mime Art for Life mit Workshops in den Townships von Südafrika das Selbstbewusstsein der Jugendlichen stärkt, und sie mit auf Tournee nimmt. Auch mit Behindertenorganisationen arbeitet er zusammen:

«Es braucht viel Geduld. Aber wenn ich für kurze Zeit in der Welt eines Autisten zu Gast sein durfte, fühle ich mich reich beschenkt.» (Nemo alias Wolfgang Neuhausen)

Als Tanz- und Bewegungstherapeut arbeitet Miodrag Kastratović mit Paraplegikern und Menschen mit einer körperlichen Behinderung. Seit vielen Jahren engagiert er sich für die Durchführung von Paradance-Meisterschaften. Erst durch die Begegnung mit dem Gründer der World Mime Organisation wurde ihm nach 35 Jahren Tätigkeit bewusst, dass es eigentlich nicht Tanz war, was er hier praktizierte, sondern Pantomime. Er ist überzeugt – und die Therapieerfolge geben ihm recht: «Pantomime ist besser als jede Medizin.»

Weitere Referate und Präsentationen beleuchteten den künstlerlischen Aspekt der Pantomime zu folgenden Themen:

  • Pantomime und Tanz
  • Die Zukunft der Pantomime als Kunstform und Erwerbsmöglichkeit
  • Pantomime als Curriculum im Rahmen der Hochschulbildung

Nachwuchsförderung

Pantomime Yoram Boker

Yoram Boker aus Tel Aviv erklärt den Einsatz von Masken

Nicht zu kurz kam auch das Lernen und Umsetzen an diesen Tagen. Altgediente Meister der Szene waren angereist, um einen Einblick in ihr Wirken zu geben: so Yoram Boker, der noch im hohen Alter in Tel Aviv an der Universität lehrt, oder Ella Jaroszewicz, die Witwe Marcel Marceaus und ehemaliges Mitglied der Truppe Tomaszewskis. 1974 hatte sie in Paris ihr eigenes Ausbildungsinstitut für Körpertheater eröffnet.

Pantomime: Grande dame Ella Jaroszewicz

Ella Jaroszewicz erhielt den World Mime Award für ihr Lebenswerk

Mit Stanislaw Brosowski war ein weiterer Meister des Körpertheaters nach Belgrad gereist – auch er ein ehemaliger Schüler Tomaszewskis. Brosowski unterrichtet an der Hochschule für Künste in Stockholm und lehrt angehende Schauspieler, auf der Bühne nicht nur ihre Stimme, sondern auch den Körper einzusetzen.

Abgerundet wurde die Konferenz mit einem Nachwuchswettbewerb und praktischen Workshops.

Der Blick zurück: ein Blick in die Zukunft?

Längst nicht jeder Wort- oder Bühnenbeitrag lässt sich in einer Rückschau auf die dichten drei Tage würdigen. Was bleibt, ist Staunen, wie vielfältig die universale Kunstform der Pantomime ist, und an vielen Orten in aller Welt sie nach wie vor auf höchstem Niveau gepflegt wird.

Wurden die bekannten französischen Mimen wie Jacques Lecoq, Etienne Decroux und Marcel Marceau oder der Pole Henryk Tomaszewski in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie Stars gefeiert, hat die Pantomime heute einen schweren Stand im Schatten des modernen Theaters oder der unterhaltenden Comedy. Die Mimen von damals setzten ihrer Zeit einen Standpunkt entgegen: Vor dem Hintergrund sozialer Spannungen, Kriegsrhetorik oder auch Dekadenz brachten sie die leisen, menschliche Regungen zum Klingen. Wo Worte wirkungslos blieben oder erst gar nicht geduldet wurden, appellierte die Pantomime an die Mitmenschlichkeit. Ob es ihr gelingt, sich diese Rolle in der Gegenwart zurückzuerobern? Das Zusammentreffen zur World Mime Conference könnte ein erster Anfang sein.

Generationenübergreifende Nachbarschaftshilfe als Zeitvorsorge

Zeitvorsorge: Wir bestimmen, wie wir alt werden wollen

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Wie das System der Zeitvorsorge die Problematik der Überalterung abfedern will

4.12.2017, von Angela von Lerber

Wir werden immer älter. Wenn im Laufe der nächsten 15 Jahre die geburtenstärksten Jahrgänge der Babyboomer das Pensionsalter erreichen, ist ihre Lebenserwartung so hoch, wie bei keiner Generation vor ihnen. In der Schweiz haben Männer bei Eintritt ins Pensionsalter im Schnitt noch 19,8 Jahre vor sich – Frauen gar 22,6. Und in der Regel erfreuen sie sich noch etwa 15 Jahre lang einer guten Gesundheit. Erst ab dem 80sten Altersjahr sind sie zunehmend auf Unterstützung im Alltag oder auf Pflege angewiesen.

Immer mehr Menschen im Pensionalter

Das ist erfreulich, wäre damit nicht ein dramatischer Anstieg des Altersquotienten in unserer Bevölkerung verbunden. Gemäss Hochrechnungen des Bundesamtes für Statistik werden in rund dreissig Jahren insgesamt 2,7 Millionen über 65-jährige Menschen in der Schweiz leben. Ihr Anteil in den städtischen Kantonen wird knapp 45 % betragen, während es in den Randregionen aufgrund der Abwanderung der jungen Generation gar über 60 % sein dürften.

Wie wird unsere Gesellschaft damit umgehen?

Mit der steigenden Lebenserwartung nimmt auch die Zahl an unterstützungs- und pflegebedürftigen Menschen zu. Ist unsere Gesellschaft dieser Herausforderung gewachsen? –  Wie viel Finanzierungs- und Betreuungslast lässt sich auf die Schultern der anteilsmässig schwindenden jüngeren Bevölkerung übertragen? Und wie wird unsere Gesellschaft mit diesem Konfliktpotenzial umgehen? Sowohl Junge wie Babyboomer haben allen Grund, besorgt in die eigene Zukunft zu sehen.

Die «AHV-Teenager» sind gefordert

Neben der Lebenserwartung dürfte auch der Beginn und die Dauer der Pflegebedürftigkeit eine wichtige Rolle spielen. Die intergenerationelle Solidarität und Unterstützung könnte den Eintritt ins Pflegeheim hinauszögern und so die explodierenden Kosten dämpfen. Insbesondere die dritte Generation der 60 bis 80-Jährigen, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen, jedoch noch gesund und vital sind, könnte hier einen Beitrag leisten, indem sie gegenüber der vierten Generation der Hochbetagten Betreuungsfunktionen übernimmt.

Das Zeitvorsorge-Modell von KISS: Anderen helfen und gleichzeitig für sich selbst vorsorgen

Mit der Idee, dieses „ungenutzte“ Potenzial der Frührentner in die Gesellschaft einzubringen, startete vor acht Jahren der Verein KISS den Aufbau eines Zeitgutschriften-Systems. Seither fördert KISS die Gründung lokaler Zeitvorsorge-Genossenschaften, deren Mitglieder sich gegenseitig und generationenübergreifend Nachbarschaftshilfe leisten und dafür Zeitgutschriften erhalten. Für jede geleistete Zeitgutschrift können die freiwilligen Helfenden bei Bedarf später ihrerseits Unterstützung beziehen. In über zehn Wohngemeinden sind bereits solche Zeitvorsorge-Genossenschaften aktiv und weitere sind im Aufbau.

Ergebnisse einer Begleitstudie

Das soziale Experiment von KISS wurde während der letzten zwei Jahre durch ETH-Professor Theo Wehner und Dr. Stefan Güntert vom Institut für Nonprofit und Public Management der FNHW Basel wissenschaftlich begleitet.  Der Evaluationsbericht liest sich spannend und ist auf der Website der Age-Stiftung einsehbar. Ob es wirklich gelingen kann, mit dem System der Zeitvorsorge eine Art Absicherung fürs Alter aufzubauen, lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht beantworten. Fest steht, dass die Nachbarschaftshilfe in den bereits gegründeten Genossenschaften funktioniert, und dass sie die generationenübergreifende Solidarität und die soziale Integration stärkt. Kürzlich durfte ich den Arbeits- und Organisationspsychologen Theo Wehner im Auftrag der AXA Stiftung Generationen-Dialog zu den Erkenntnissen aus der Studie befragen.

 

Storytelling: Geschichten erzählen statt Fachjargon pflegen

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Angela von Lerber ist das Gesicht hinter phil-rouge: Sie konzipiert, schreibt und kreiert Content für On- und Offline-Publikationen.
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Was die Unternehmenskommunikation von der Pantomime lernen kann (Storytelling)

Eine lockere Folge von Gesprächen mit dem Pantomimen Carlos Martínez(1)

Text: Angela von Lerber

Storytelling mit Carlos Martínez

Carlos Martínez

Immer wieder neu bin ich fasziniert von der Fähigkeit des Mimen, in absoluter Stille, ganz ohne Requisiten anderthalb Stunden lang sein Publikum in Bann zu ziehen. Seine Fabulierkunst scheint aus einer fernen Welt zu stammen, in der die Zeit noch keine Rolle spielte, dafür umso mehr die Fantasie. Ich habe ein ausführliches Gespräch über seine Kunst mit Carlos Martínez geführt, dessen Inhalte ich häppchenweise in diesem Blog zugänglich machen will. Heute geht es um die Frage, inwiefern die Pantomime sich von der Gebärdensprache, wie Gehörlose sie untereinander pflegen, unterscheidet:

Pantomime versus Gebärdensprache

Carlos Martínez:
«Gebärdensprache und Pantomime sind zwei völlig unterschiedliche Kommunikationsformen. Wenn gehörlose Studenten zu mir kommen, um bei mir Pantomime zu lernen, muss ich sie erst einmal „umschulen“.

Als Mime spiele ich ja für ein hörendes Publikum. Meine Stille ist gemacht für Menschen, die hören. Die Gebärden der Gehörlosen jedoch sind eine voll ausgebildete Sprache für Menschen, die nicht hören können. Wenn Gehörlose in ihrer Sprache kommunizieren, dann verstehen wir, die wir ihre Sprache nicht beherrschen, buchstäblich kein Wort. Pantomime hingegen ist keine Sprache, sondern eine besondere Art, Geschichten zu erzählen. Der Pantomime übersetzt nicht einfach Sprache in Gesten. Zum Beispiel gibt es kein Wort für „aber“ auf pantomimisch. Es existiert kein Pantomimen-Lexikon. Ich wäre auch niemals in der Lage, einen ganzen Tag lang pantomimisch zu kommunizieren. Das wäre viel zu anstrengend – sowohl für mich, wie für meine Kommunikationspartner. Pantomime ist keine Sprache, sondern eine Kunstform.

In meinem Fall ist Pantomime eine Kunst, die ich auf die Bühne bringe, um Geschichten zu erzählen. Eine Geschichte braucht eine Dramaturgie, einen Anfang und ein Ende, einen Protagonisten und einen Handlungsstrang. Es gibt natürlich auch die Strassenpantomimen, die auf sehr eindrückliche Art ihre Technik zeigen. Sie zeigen, was sie alles können, ähnlich wie im Zirkus. Meine Art zu arbeiten ist anders. Mir geht es darum, eine Geschichte zu erzählen.»

Weg von der Insidersprache: Storytelling im Unternehmen

Manche Unternehmen kommunizieren so, als ob die ganze Welt ihren Fachjargon verstehen könnte. Doch wie bei der Gebärdensprache erschliesst sich die Fachsprache nur Insidern, die den Code beherrschen. Wer verstanden werden will, muss für seine hoch spezialisierte Fachwelt eine Sprache finden, die auch ein Laie nachvollziehen kann.

Am besten funktioniert dies, indem man Geschichten aus dem Unternehmen erzählt. Wie bei der Pantomime geht es auch bei einem Unternehmen nicht einzig darum, zu zeigen, welche Techniken man perfekt beherrscht. Das langweilt den Laien. Ein Unternehmen steckt voller spannender Geschichten. Sie auszugraben und zum Leuchten zu bringen – darum geht es in der Unternehmenskommunikation. Ein paar Anregungenen dazu:

  • Welche unbekannten Berufe sind in Ihrem Unternehmen vertreten?
  • Welche interessanten Aufgaben müssen Ihre Mitarbeitenden lösen?
  • Welche Missgeschicke haben sich schliesslich doch noch zum Guten gewendet?
  • Wie war das damals, als Sie noch mit den alten Maschinen produzierten – was hat sich seither geändert?
  • Welcher Kunde setzt Ihr Produkt auf unorthodoxe Weise ein und ist damit erfolgreich?

Wer wirklich verstanden und gehört werden will, sollte nachvollziehbare, spannende und authentische Geschichten erzählen.

Anschauungsbeispiel des Pantomimen

So erklärt Carlos Martínez seinem Publikum das Recht auf Privacy:

 

Bücher ohne Worte mit Carlos Martínez

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10.6.14, Casinotheater Winterthur: Carlos Martínez spielt „Bücher ohne Worte“

Text: Angela von Lerber

Carlos Martínez in "Bücher ohne Worte"

Carlos Martínez in „Bücher ohne Worte“

Nicht ein einziges Requisit steht auf der Bühne. Als Kulisse dient ein schwarzer Vorhang, das ist alles. Der Schauspieler: Ein Mann in Schwarz mit weiss geschminktem Gesicht und weissen Handschuhen. Die längste Textpassage: tonlose Stille. Die Souffleuse: überflüssig. Das Mikrophon: ein weisser Lichtkegel, der im richtigen Augenblick die richtige Stelle auf der Bühne ausleuchtet. Hie und da etwas Hintergrundmusik.

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Darüber reden: Perspektiven nach Suizid

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Lyrik und Prosa von Hinterbliebenen nach einem Suizid

(erschienen im September 2013 im Verlag Johannes Petri, Basel)

Lyrik und Prosa von Hinterbliebenen nach Suizid

Was kommt nach dem Tod?

Was kommt nach dem Tod?
Ich weiss es nicht, was nach dem Tod kommt.
Wer weiss das schon.
Niemand.
Doch, du weisst es.
Aber das bleibt dein Geheimnis.
Das du nicht mit mir teilen willst oder kannst?

Nadia L.

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