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Erfolg mit Gefühl: Wie Gefühle uns weiterbringen

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Angela von Lerber ist das Gesicht hinter phil-rouge: Sie konzipiert, schreibt und kreiert Content für On- und Offline-Publikationen.
Angela von Lerber
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Ein Gespräch mit Angelika Borissov zu ihrem neuen Buch

17.10.2017, von Angela von Lerber

Erfolg mit Gefühl – Wie Gefühle uns weiterbringenErfolg mit Gefühl: Wieder ein Rezeptbuch, das uns den sicheren Weg zum Erfolg verspricht? – Nein, das ist es nicht, was Angelika Borissov, die als Business- und Karriere-Coach tätig ist, unter einem erfolgreichen Leben versteht. In ihrem Buch «Erfolg mit Gefühl – Wie Gefühle uns weiter bringen» zeigt die Autorin praktische Wege auf, wie wir uns selbst auf die Spur kommen, indem wir unsere Gefühle – positive wie negative – als Wegweiser für unseren Lebensweg wahrnehmen und nutzen lernen.

In einer digitalisierten Welt, in der alle möglichen Anreize von aussen auf uns einprasseln, hilft uns die Autorin mit einfachen Übungen und Anregungen, uns auf den Weg zu unserer Mitte zu machen. Es ist ein niederschwelliges Buch für jedermann, das zum Reflektieren und Nachfühlen anregt, und aus dessen Themenstrauss man auch einzelne Kapitel herauspicken darf.

Da ich Angelika gegen Ende des Schreibprozesses als Lektorin begleitet habe, lasse ich – statt eine Rezension zu schreiben – die Autorin selbst zu Wort kommen:

Angelika, du hast mehrere Jahre an deinem Buch gearbeitet. Welches Anliegen steckt dahinter?

In einer Welt, in der alles immer technischer und digitaler wird, hat die eigene Gefühlswelt immer weniger Platz. Doch zu uns selbst finden wir über unsere Gefühle. Die Gefahr in der digitalen Welt besteht darin, dass wir uns von uns selbst entfremden. Das Denken und viele Entscheidungen werden uns allzu leicht abgenommen. Wir funktionieren dann nur noch nach dem digitalen Diktat. Mir ist wichtig, dass die Menschen auch die anderen Ebenen wieder mehr pflegen.

Wer soll dein Buch Erfolg mit Gefühl lesen, wer sind deine Wunschleser?

Ich spreche Menschen an, die neugierig und offen sind, die sich im Leben weiter entwickeln und auch etwas dafür tun wollen. Besonders möchte Ich auch jüngere Leser ansprechen, die gerade dabei sind, ihren Berufsweg zu definieren und in dieser Phase den Zugang zu sich selbst und die eigenen Vorlieben ausloten möchten. Ursprünglich plante ich ein Buch, das sich nur um die Berufswelt dreht. Doch im Grunde ist es ein Buch für den Alltag, Das Anliegen, offener zu werden, seine Antennen auszufahren und sich gleichzeitig nach innen mit den eigenen Gefühlen zu verbinden, betrifft das Leben an sich.

Inwiefern bezieht sich Erfolg mit Gefühl auf deine Tätigkeit als Business-und Karriere-Coach?

Praktisch jedes Mal, wenn ich mit Menschen arbeite, kommen wir bei der Frage nach dem Ursprung von Konflikten und anderen Schwierigkeiten  an den Punkt, wo wir gemeinsam feststellen: Das hat mit Emotionen und Gefühlen zu tun. Auch wenn diese auf den ersten Blick gar nicht als solche wahrgenommen werden. Sie sind versteckt. Trotzdem beeinflussen sie die Art, wie jemand ans Leben herangeht und wie das Leben glückt. Oft kommt man über die Gefühle viel schneller zu den Lösungen – und sogar nachhaltiger.

Wann und wie entstand die Idee zu diesem Buch?

Das war vor acht Jahren als Obama gewählt wurde. Ich war begeistert von diesem Mann und fand, dass er eine hohe Kompetenz in Sachen Gefühle gezeigt hat. Schon davor fand ich, dass es an der Zeit wäre, dieses Thema zu bearbeiten. Ich wollte den Leuten etwas in die Hand geben, um selbst an diesem Thema zu arbeiten. Ich bot damals eine Workshop-Serie an, den sogenannten Power Zirkel. Hier erlebten wir, wie viel sich bei einzelnen Teilnehmenden innert kurzer Zeit nachhaltig verändert hatte. Dies bestärkte mich in der Absicht, ein Buch herauszugeben, damit Menschen diese Aspekte für sich verinnerlichen können – auch ohne Workshop.

Welches war die grösste Herausforderung im Entstehungsprozess?

Die grösste Herausforderung war definitiv. dranzubleiben. Ich war zeitweise beruflich so stark ausgelastet, dass ich kaum noch Zeitinseln zum Schreiben fand. So gab es immer wieder längere Unterbrüche. Danach den Faden wieder aufzugreifen, war jedes Mal ein Kraftakt. Das Buch stand in Gefahr, zu einem Flickwerk zu werden.

In der ursprünglichen Version hast du eine erfundene Figur falltypische Episoden durchlaufen lassen. Nun gibst du stattdessen viel Persönliches aus deinem eigenen Leben preis. Für mich hat das Buch dadurch viel an Glaubwürdigkeit gewonnen. Andererseits lässt du die Leser damit sehr nahe an dich herankommen. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?

Grundsätzlich habe ich damit nur positive Erfahrungen gemacht. Ich glaube, die Menschen schätzen das sehr und finden dadurch einen besseren Zugang zum Thema. Ich musste natürlich die richtige Balance finden. Wie viel möchte ich wirklich preisgeben was nicht? Mit der Endversion fühle ich mich nun sehr gut. Wir sind alle Menschen und jeder hat seine Themen. Wenn ich mich öffne, können andere sich ebenfalls öffnen – auch sich selbst gegenüber.

Wann wusstest du, jetzt ist das Buch fertig?

Das ist eine schwierige Frage. Eigentlich war es ja nie fertig. Es gibt immer noch Verbesserungspotenzial – sei es technisch oder für ein besseres Verständnis. Gegen das Ende hin hat mein Mann mich gerne hochgenommen. Mindestens drei Mal hatte ich schon euphorisch verkündet: Jetzt bin ich endlich fertig mit meinem Buch. Um dann ein paar Wochen später zu sagen: Nein, es ist doch noch nicht fertig. Aber es kam ein Punkt, als klar war: Jetzt ist es inhaltlich und folgerichtig abgerundet. Das Buch sagt aus, was ich zu sagen habe.

Du hast dein Buch Ende Juni im Eigenverlag auf Amazon veröffentlicht. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?

Offen gestanden habe ich mich noch richtig nicht mit den Verkäufen befasst. Es gab auch Leute, die mich nach anderen Kanälen fragten, weil sie aus Prinzip nicht bei Amazon kauften. Inzwischen ist es dort nicht nur als e-Book, sondern auch als Taschenbuch erhältlich. Ich arbeite gerade an einer Lösung, unter anderem mit books.ch. Grundsätzlich freue ich mich immer über Feedback und Anregungen. Natürlich hoffe ich gleichzeitig, dass ich viele Likes und positive Kommentare erhalte, sei es auf Amazon oder wo auch immer. Am meisten aber wünsche ich mir, dass dieses Buch viel Positives bewirkt bei meinen Leserinnen und Lesern, dass Menschen mehr beeinflussen können in ihrem Leben und es mit mehr Freude gestalten.

Das Buch von Angelika Borissov ist als e-Book und Taschenbuch auf Amazon.de erhältlich: Erfolg mit Gefühl – Wie Gefühle uns weiter bringen, © 2017 Angelika Borissov

Branding: Mit imaginären Objekten Emotionen wecken

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Was die Unternehmenskommunikation von der Pantomime lernen kann

Eine lockere Folge von Gesprächen mit dem Pantomimen Carlos Martínez. Diesmal zum Thema Branding: (3)

Branding und PantomimeIn diesem Beitrag geht es um das Thema Branding und die Frage, wie es uns gelingen kann, Emotionen zu vermitteln. Der Versuch, Handlungsanleitungen für die Unternehmenskommunikation aus der Kunst der Pantomime ableiten zu wollen, ist sicher etwas hoch gegriffen. Dennoch bin ich überzeugt, dass diese Kunstform unser Verständnis für Kommunikation schärfen kann.

Text: Angela von Lerber

Marketingprofis wissen: Produkte und Marken – will man sie zu Objekten der Begierde machen – muss man über Emotionen verkaufen.

Produkte als Träger von Emotionen

Die bekannten Luxusmarken machen uns vor, wie sich ein Brand mit bestimmten Emotionen verschmelzen lässt. Da hat es ein sinnliches Produkt wie ein Luxusparfum sicherlich einfacher als ein Werkzeugbauer. Führen wir uns doch als klassisches Beispiel den Spot Coco Mademoiselle von Chanel vor Augen:

Mit „Taste the Feeling“ hat der Getränkeriese Coca Cola einen etwas weiteren Sprung geschafft: Dass ein eisgekühltes Getränk mit dem Gefühl der Erfrischung verbunden ist, liegt auf der Hand. Weil das für Eistee oder Mineralwasser aber genauso zutrifft, geht Coca Cola einen Schritt weiter und verbindet die erfrischende Wirkung seines Getränks mit einem Lebensgefühl: Freunde, Herzklopfen, Leidenschaft, Musik, Verrücktsein…):

Auch wenn wir dem Marketingzirkus kritisch gegenüberstehen… der Wirkung dieser Werbespots kann man sich nur schwer entziehen.

Dienstleistungsmarketing: Je abstrakter umso anspruchvoller

Auch der Kranken- und Unfallversicherer Helsana setzt mit seinem neuen Imagefilm auf Emotion. Helsana muss damit leben, dass ihre Dienstleistung bei Ereignissen zum tragen kommt, die mit negativen Gefühlen besetzt sind. Der Sprung von der Dienstleistung zur positiv besetzten Markenwelt ist deshalb anspruchsvoller:

„Engagement… Wissen Sie, wie sich das anfühlt, sich voll einzusetzen für jemanden… Es ist der kleine persönliche Kratzer, den wir ins Universum blitzen… Deshalb lohnt es sich, engagiert zu sein… Für genau die Lösung, die ihnen hilft…“ (Aussagen aus dem Imagefilm von Helsana)

Ein kreativer Gedankensprung war notwendig, um in diesem Beispiel positive Emotionen zu inszenieren. Ob das Publikum ihn annimmt, wird sich weisen.

Warum klappt es mit der Emotion nicht immer wie gewünscht?

Den strahlenden Vorbildern mit entsprechenen Werbeetats wollen viele KMUs nacheifern. Warum es manchmal mit der Emotionalisierung hapert, zeigt das Beispiel eines jungen IT-Unternehmens. Wie jedes innovative Unternehmen möchte auch diese Firma ihr Produkt emotional aufwerten. So wählen die Unternehmer die Metapher des Spitzensports für ihre Markenwelt, was Ambition, Leistungsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit ausdrücken soll, und kleidet seinen öffentlichen Auftritt in eine dynamische Bildwelt von Spitzensportlern. Doch die Reaktionen sind durchmischt und kritisch. Warum? Was ist falsch an der Metapher?

Innensicht und Aussensicht

In unserem Fall funktioniert der Sprung zwischen Unternehmen und Bildwelt nicht auf den ersten Blick, weil es branchenfremde Bilder sind, die weder an Informatik noch an das die Berufswelt der Kunden im Gesundheitswesen anknüpfen. Ein solcher Weitsprung ist im Branding wohl möglich, erfordert aber einen langen Markenbildungsprozess, der mehr Ressourcen erfordert, als ein KMU zur Verfügung hat.

Der zweite Stolperstein besteht darin, dass die Metapher die Eigenperspektive wiedergibt. Das Unternehmen sagt im Grunde: „So fühlen wir uns.“ – Das mag eine gewisse Sympathie erzeugen bei jenen, die sich damit identifizieren können. Ein emotionaler Brand hingegen muss kundenorientiert sein und deshalb ausrücken: „So fühlst du dich mit uns.“

Kann uns die Kunst der Pantomime beim Branding weiterhelfen?

Fest steht: Es ist nicht so einfach, Emotionen stimmig zu vermitteln, wie es auf den ersten Blick erscheint. Und so habe ich mich gefragt, ob uns dazu nicht jemand etwas sagen kann, der  meisterhaft auf der Klaviatur der Emotionen zu spielen vermag. Ich habe den Mimen Carlos Martínez nach seinem Geheimnis gefragt:

Die Fantasie des Publikums wirkt mit

Natürlich kann die Unternehmenskommunikation von jeder Kunstform lernen. Jede Kunst ist Kommunikation. Doch jede Kunstform hat ihre Eigenheiten. Das Faszinierende an der Pantomime ist, dass sie holzschnittartig mit absolut reduzierten Mitteln arbeitet. Als einziges Instrument steht dem Künstler sein Körper zur Verfügung. Der Rest ist Fantasie – die Fantasie des Künstlers, und die Fantasie des Publikums. Pantomime vermag Sprachschranken und kulturelle Barrieren zu überwinden wie die bildende Kunst, die Musik oder Tanz. Im Unterschied zu diesen anderen Formen ist die Pantomime aber darauf angewiesen, dass der Zuschauer versteht, was gemeint ist. Das heisst, er muss die Fantasie des Publikums richtig bedienen. Und das verhält sich beim Branding ebenso!

Objekte als Hilfsmittel

Branding und PantomimeNeben dem eigenen Körper sind imaginäre Objekte die zentralen Instrumente des Mimen. Mit ihnen kitzelt er die Vorstellungskraft des Publikums heraus. Objekte sind seine Hilfsmittel, um Emotionen darzustellen. Sie helfen dem Publikum, die Emotionen zu verstehen. Wenn Carlos Martínez in einem seiner Stücke nostalgische Erinnerungen an seinen Grossvater zeigt, dann hält er eine imaginäre alte Taschenuhr in Händen. Die Menschen verstehen das Bild und können das Gefühl sehen, das mit diesem Gegenstand verbunden ist. Es klingen aber auch Gefühle an, die mit ihrem eigenen Leben zu tun haben. «Auch jemand, der nicht weiss, was eine Taschenuhr ist», erklärt der Mime, «wird verstehen, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der mit der Erinnerung an eine Person, einer Geschichte und mit Melancholie verbunden ist.»

Die Zuschauer sehen immer ihr eigenes Objekt. Hören sie das Wort „Baum“, dann sieht jeder seinen eigenen Baum. Zeigt der Mime eine Tür, sieht jeder eine andere Tür. Und wenn er ein bestimmtes Gefühl zeigt, wird jeder versuchen, sich an das Gefühl zu erinnern, das er in einer ganz bestimmten Situation selbst verspürt hat.

«Wenn ich in einem Stück ein sehr langsames Tier zeige, dann sehen die einen eine Schildkröte – andere eine Schnecke. Mein Anteil der Kommunikation ist, dass ich etwas zeige. Was die Zuschauer verstehen, ist von den persönlichen Erfahrungen des einzelnen gefärbt. Die Fantasie ist das zentrale Element der Pantomime. Die Zuschauer spielen in der Kommunikation eine aktive Rolle, indem sie ihre eigene Erfahrungswelt einbringen, an die sie anknüpfen.» (Carlos Martínez)

Eine Lehrgeschichte, wie man Objekte durch Fantasie ersetzt

Carlos Martinez erzählt von einem Studenten, der ihn zur Vorbereitung einer Pantomimeprüfung im Rahmen seiner Schauspielausbildung um Hilfe bat. Der Schüler hatte für seine Prüfung die Aufgabe erhalten: zwei Minuten lang auf der Bühne das Gefühl der Angst zu zeigen, ohne ein Objekt zu verwenden. Nur pure Angst.

Dürfte der Schüler Objekte verwenden, wäre die Aufgabenstellung einfach: Er könnte eine gruselige Spinne andeuten, eine Tür ins Ungewisse öffnen oder in einem Lift steckenbleiben. Aber ganz ohne das nützliche Hilfsmittel der Objekte? – So empfahl der Meister seinem Schüler, sich vorzustellen, er befinde sich in einer Geisterbahn. Hier könne er sich vor allen möglichen und unmöglichen imaginären Monstern fürchten. Der Schüler befolgte den Rat, übte zu Hause eine entsprechende Szene ein und brachte beim nächsten Mal eine Videoaufnahme davon mit. Der Lehrer kommentierte: „Ja, ich kann tatsächlich Angst sehen. Aber ich kann nicht sehen, wovor du Angst hast. Ich muss sehen, wovor du Angst hast.” – Der Student fragt zurück: „Wie denn, wo ich doch keine Objekte zeigen darf?“ Der Meister antwortete ihm:

„Tritt ein in den Tunnel des Grauens. Sobald du drin bist, wirst du von Ängsten umzingelt sein. Du kannst dich davor fürchten, dass der Boden vor dir zusammenstürzt, dass über dir etwas lauert oder etwas von hinten dich angreift. Dazu brauchst du keine Objekte. Da ist nichts. Es ist nur deine Vorstellungskraft. Aber die Leute werden verstehen, dass du dich an einem Ort der Angst befindest.“ (Carlos Martínez)

Ohne Objekte verlangt die Darstellung eine Extraportion Fantasie. Also spielte der Schüler Szenen seiner Horrorvorstellungen und mimte alle möglichen Gefahren, die da draussen lauern könnten. Doch Carlos Martínez forderte ihn erneut heraus: „Vergiss nicht, es gibt auch eine Angst, die von Innen kommt.“ Und schon eröffnete sich eine weitere Welt von Möglichkeiten, wie der Schüler Angst zeigen könnte. Die Angst vor der Dunkelheit zum Beispiel, die Angst vor dem Verlassen werden oder die Angst vor dem Tod.

Was können wir aus dieser Episode für das Branding lernen?

Die Geschichte des Pantomimeschülers lehrt mich vor allem eines: Dass wir viel zu schnell zufrieden sind mit unseren Ideen. Oft braucht es eine zweite, dritte oder gar vierte Runde, bis die Aufgabe wirklich stimmig gelöst ist. Haben wir ein Objekt (oder ein Bild), das wir mit einer Emotion verbinden wollen, müssen wir die Aufgabe vielleicht nochmals ohne dieses Objekt durchdenken und umso mehr die Fantasie bemühen. So lange, bis die Emotion glasklar und wie selbstverständlich auf den unbeteiligten Dritten überschwappt. Um dies zu erreichen, müssen wir eine Vorlage bieten, bei der jeder auf seinen eigenen Erfahrungshintergrund zurückgreifen kann, um sie verstehen und nachvollziehen zu können.

Verstanden werden – so gelingt Kommunikation

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Was die Unternehmenskommunikation von der Pantomime lernen kann

Eine lockere Folge von Gesprächen mit dem Pantomimen Carlos Martínez (2)

Carlos MartínezNachdem es im letzten Blogbeitrag darum ging, dass Pantomime keine Sprache, sondern eine Kunstform ist, erläutert uns der Künstler diesmal, warum Pantomime – im Gegensatz etwas zum Tanz – darauf angewiesen ist, verstanden zu werden, damit der Funke überspringt. Das ergeht uns in der Kommunikation genauso. Schauen wir also genau hin, wie der Pantomime diese Herausforderung meistert.

Text und Interview: Angela von Lerber

Wie wird man Pantomime?

«Ich suchte schon als Kind die Bühne und Zuhörer, denen ich Märchen und selbst erfundene Geschichten erzählen konnte. Von Pantomime hatte ich damals noch keine Ahnung. Die Kunst der Stille entdeckte ich erst viel später während meines Schauspielstudiums in Barcelona.»

Was macht die Kunst der Pantomime aus?

«Im Gegensatz zum Theater kommt Pantomime ganz ohne Worte aus. Anstelle der gesprochenen Sprache setzen wir Mimen unseren Körper ein. Dennoch sind wir darauf angewiesen, dass die Menschen verstehen, was wir meinen. Es ist sozusagen ein Gespräch ohne Worte. Manche vergleichen die Pantomime mit dem Tanz. Doch das ist nicht richtig: Wenn du einem guten Tänzer zuschaust, bist du begeistert, weil der Tanz dein Herz berührt. Verstehen musst du dazu gar nichts. Mit der Musik verhält es sich ähnlich: Man kann Musik geniessen, ohne auch nur das Geringste davon zu verstehen. Trotzdem vermag sie uns zu berühren.

Ganz anders die Pantomime: Uns Mimen muss man zwingend verstehen. Jeder, der im Publikum sitzt und einem Stück nicht folgen kann, wird kopfschüttelnd sagen: „Ich verstehe nur Bahnhof.“ Bei einer Tanzvorstellung würde das nie passieren. Vielleicht ist es dieses Ziel, verstanden zu werden, was die Pantomime mit dem Theater gemeinsam hat.»

Wo liegen die Schwierigkeiten?

«Die höchste Herausforderung besteht darin, eine Idee in Körpersprache zu übersetzen. Ich habe wunderschöne Geschichten in der Schublade, bei denen ich keine Ahnung habe, wie ich sie auf den Körper übertragen soll. Diese Geschichten wurden geschrieben, um in Worten erzählt zu werden. Hätte ich sie für Pantomime kreiert, wäre die Umsetzung viel einfacher. Aber dann wären sie wohl umso schwieriger in Worte zu fassen. Ich komme vom Theater. Deshalb schreibe ich die meisten Geschichten in Erzählform auf. Das macht die Übertragung in Pantomime schwierig. Es braucht sehr viel Zeit und viele Proben. Und es bedeutet ein hartes Stück Arbeit. Dennoch finde ich, dass die letzte Phase schwieriger ist – noch anspruchsvoller als die Übertragung von Sprache in Bewegung – dann nämlich, wenn es darum geht, ein Stück zum allerersten Mal einem Publikum zu zeigen.

Meistens denke ich nach all den Proben: „Jetzt sind alle Details perfekt, jetzt ist es gut, das Stück ist fertig.“ Dann betrete ich die Bühne – und mit einem Mal zählt nur noch die Kommunikation mit dem Publikum. Wenn jetzt die Leute nicht verstehen, was ich sagen will, oder wenn sie nicht so reagieren, wie ich es mir vorgestellt habe, habe ich verloren. Das ist die wahre Feuerprobe.»

Das können wir für unsere Kommunikation lernen

So viel vom Künstler über die Pantomime. Um den Bogen zur Kommunikation ganz allgemein zu schlagen, picke ich diesmal zwei Aspekte heraus, die mir als Schreibprofi wichtig erscheinen:

Emotionalität

Wir können Leserinnen und Leser auf unterschiedliche Weise erreichen: auf der einen Seite über die emotionale Ebene und andererseits über den Verstand. Wie wir alle wissen, spielen Emotionen eine wichtige Rolle in der Kommunikation. Wer Menschen mit Worten zu berühren vermag, ist wie ein Tänzer oder Musiker. Ein wunderbares Beispiel für das Spiel mit Emotionen ist die Lyrik. Sie lässt sie in uns Saiten anklingen, selbst wenn wir nicht genau verstehen, worum konkret es in einem Gedicht geht. Auch der Humor ist ein geeignetes Mittel, um Emotionen zu wecken. Gelingt es uns, jemanden zum Lachen zu bringen, haben wir ihn schon auf unserer Seite. Gute Werbung ist oft gespickt mit Humor und erfolgreiche virale Kampagnen leben davon. Natürlich kann man auch auf Provokation abzielen, auf Empörung, Entsetzen oder Angst. Die Boulevardpresse und manche politischen Akteure machen es uns vor. Was sie damit auslösen, sind oftmals kontroverse Diskussionen und Hetze. Wollen wir das?

Verstehen

Wir müssen Emotionen in Gang setzen, damit man uns Aufmerksamkeit und Interesse schenkt. Dennoch erreichen wir unser Kommunikationsziel nur, wenn wir darüber hinaus auch verstanden werden. Es reicht nicht, Emotionen zu wecken. Wer eine Botschaft hat, muss einen Schritt weitergehen, muss mit Worten erklären und vertiefen. Unsere Feuerprobe ist die gleiche wie jene des Mimen: Haben die Leserinnen und Leser nicht verstanden, was wir ihnen sagen wollen und wie wir es meinen, dann hinterlassen wir sie irregeführt oder ratlos. Auch uns kann passieren, dass das Publikum nicht so reagiert, wie wir uns das theoretisch vorgestellt haben. Besonders dann, wenn es um kontroverse Themen geht. Da kann der Schuss mit den emotionalen Botschaften gut und gerne auch nach hinten losgehen. Deshalb sollten wir uns die Frage stellen: Wie transportiere ich meine Inhalte in schlüssigen Gedankengängen, sodass jeder sie nachvollziehen und uns folgen kann.

Wenn dann zusätzlich auch noch der emotionale Funkte überspringt, dann ist unsere Kommunikation geglückt und wir haben grosse Chancen, dass unser Standpunkt auf ein Echo stösst.

Das Bunraku-Theater aus Osaka gastiert in Zürich

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Bunraku: Das klassische Puppentheater Japans erstmals auf Schweizer Tournée

Text: Angela von Lerber

Bunraku1_webAnlässlich ihres 150-jährigen Bestehens holt die Schweizerisch-Japanische Gesellschaft im Oktober 2014 zum ersten Mal ein klassisches japanisches Bunraku Puppentheater in die Schweiz. Diese einmalige Gelegenheit will ich mir nicht entgehen lassen. Ich besuche die letzte Station der Tour im Zürcher Schauspielhaus.

Neben Nō und Kabuki ist Bunraku die dritte traditionelle Theaterform in Japan. 1684 in Osaka gegründet, erlebte das Bunraku-Theater im 18. Jahrhundert seinen Höhepunkt. Auch heute werden die grossen Werke von damals noch immer in Osaka gezeigt und als Kulturgut staatlich gefördert. Bei uns in der Schweiz zeigt die Truppe drei Szenen aus verschiedenen Stücken, denn ein echtes Bunraku-Programm dauert in Japan mehrere Stunden.

Eine anspruchsvolle Produktion

Im Grunde greift der Begriff „Puppentheater“ zu kurz, denn Bunraku ist eine Bühnenschau, die mehrere Disziplinen in sich vereint. Was ich an diesem Abend im Zürcher Schauspielhaus zu sehen bekomme, übertrifft all meine Erwartungen. Allein die fast lebensgrossen Puppen mit ihren schillernden Kimono-Gewändern, den Gesichtsmasken und ihren prächtigen Perücken sind Kunstwerke für sich. Jede Puppe wird (sichtbar fürs Publikum) von drei Spielern gemeinsam gespielt, die sich zwischen den kniehohen Bretterwänden der mehrstufigen Kulisse bewegen. Auf der kleinen Seitenbühne daneben lässt der Rezitator seine Stimme erschallen, begleitet vom dreisaitigen Saiteninstrument Shamisen.

Vorhang auf!

Das rhythmische Schlagen von Klanghölzern künden den Beginn des Theaters an. Auf der kleinen Bühne rechts vor dem Vorhang treten der Rezitator (Tayū) und der Shamisen-Spieler auf. Beide verneigen sich. Der Rezitator setzt sich hinter das niedrige Lesepult, der Shamisen-Spieler ergreift sein Saiteninstrument und hält zum Spielen ein grosses Holzplektrum bereit. Bevor sich der Vorhang öffnet, ehrt der Rezitator seinen Lesetext, indem er das Skript mit beiden Händen in die Höhe hält. Darauf erscheint ein schwarz vermummter Spieler auf der Hauptbühne und kündigt den Titel der ersten Szene an. Das Eingangsritual ist abgeschlossen, die Vorstellung geht los.

Zum besseren Verständnis wird der Text über der Bühne auf deutsch und englisch eingeblendet. Auch die Japanerin, die neben mir sitzt, ist auf die Übersetzung angewiesen, den die alte Sprache ist auch für sie nur schwer verständlich.

Kopf, Hand, Beine – ein Zusammenspiel, das Meisterschaft verlangt

Jede einzene der prachtvoll drapierten Riesenpuppen wird von drei Puppenspielern gleichzeitig gespielt. Der Hauptspieler ist für den Kopf und die rechte Hand zuständig. Als einziger Spieler bleibt er unverhüllt. Die beiden anderen, von denen einer nur die linke Hand bedient und der andere die Beine, tragen schwarze Kapuzengewänder. Bald schon nimmt man als Zuschauer die Puppenspieler nicht mehr wahr. Auf der Bühne existieren nur noch die Puppen, deren Innenleben ein wahres mechanisches Wunderwerk ist. Je nach Emotionslage lässt sich Ihr Kopf nach vorn oder nach hinten neigen. Mimik, Mund und Augen sind über Fadenzüge veränderbar, und die hochgesteckten Frisuren lassen sich auflösen. Einige Puppen tragen zwei Kimonos übereinander, sodass auch die Kleidung im Laufe des Spiels ausgetauscht werden kann.

Emotion pur

Die drei gespielten Szenen handeln von grossen Gefühlen: Ein blinder Mann stürzt sich vor Gram über sein wertloses Leben in eine Schlucht, seine trauernde Frau ihm nach. Eine Liebende wird durch Intrigen von ihrem Geliebten getrennt und zelebriert nun ihren Schmerz in einem wilden Tanz. Eine Verlassene wird aus Eifersucht zur Furie.

Eine zentrale Rolle spielt der Rezitator. In rhythmischem Sprechgesang erzählt er die Geschichte und imitiert dabei die Stimme jeder einzelnen Figur. Er beherrscht eine unglaubliche Modulationsvielfalt und wechselt virtuos von Tonlage zu Tonlage. Mal schwillt seine Stimme an, erreicht höchste Töne, um bald in sonore Tiefen abzufallen. Er singt, ruft, heult, klagt, krächzt, kreischt, lacht oder schreit – dynamisch begleitet von den rhythmischen Klängen der Shamisen. Wenn die Figuren auf der Bühne zum Tanz anheben, dann stampfen auch die Puppenspieler mit ihren Holzschuhen im Takt. Das expressive Rezital steigert die Emotionen ins Unermessliche – im Kontrast dazu die strenge Form und die stereotypen Figuren des Puppentheaters.

Die Gefühle der Figuren nehmen regelrecht Gestalt an. Emotionen werden leibhaftig. In ihrer Wut verwandelt sich die zurückgewiesene Liebende in eine Bestie – das hübsche Gesicht wird zur Fratze mit Hörnern. Als Schlange stürzt sie sich ins Wasser, um ihren Geliebten zu rächen. Um sie herum toben Wellen in Form eines blauen Tuches – das farbenfrohe Kimono verwandelt sich in ein silbriges Schuppenkleid mit langer Schleppe.

Präzision und Kunstfertigkeit

Doch die Puppen bewegen sich auch mit einer bewundernswerten Anmut. Im ersten Stück sitzt die Protagonistin in ihrem Haus und näht Stich um Stich mit imaginärer Nadel und Faden an einem Stoff. Wie sie den Faden abreisst und mimisch zwischen den Händen strafft, wirkt umso verblüffender, als doch beide Hände von unterschiedlichen Personen gespielt werden.

Im zweiten Stück „Fuchsfeuer im inneren Garten“ kommt ein Fuchs vor. Dass er seine Ohren spitzen und das Maul aufreissen kann, entockt den Zuschauern ein heiteres Lachen. Das Tier kratzt sich mit der Hinterpfote am Kopf und beisst sich zur Belustigung des Publikums in den eigenen Schwanz. Später ergreift sein „Fuchsfeuer“ auch von der Protagonistin Besitz und gleichzeitig wechselt ihr Kimono die Farbe. Weiss wie der Fuchs tanzt sie nun wie in Trance zu den hypnotisierenden Rufen des Rezitators und den rhythmischen Klängen der Shamisen.

Zehn Jahre braucht ein Puppenspieler bis er jeden Schritt seiner Kunst beherrscht. Im ersten Schritt bedient er nur die Beine der Puppe. Die linke Hand ist den Fortgeschrittenen vorbehalten. Erst als Krönung seiner Fertigkeit kann er sich als Meister der Puppenspieler an den Kopf und die rechte Hand wagen.

Einen faszinierenden Blick hinter die Kulissen des Bunraku-Theaters bieten folgende Doku-Videos auf YouTube:

http://www.youtube.com/watch?v=4TKt67ouaqM
http://www.youtube.com/watch?v=f4G68civvo8