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Echte «Teigwahrheiten» von Helena & Co.

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Angela von Lerber ist das Gesicht hinter phil-rouge: Sie konzipiert, schreibt und kreiert Content für On- und Offline-Publikationen.
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Taschen, Kunst und Produktdesign von Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung

27.11.2016, von Angela von Lerber

Taschen von Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung

Taschenverkauf LIV «für Lüüt wo tüend chrämpfle»

Helena hat eine geistige Beeinträchtigung. Aber sie kann lachen. Und sie malt lustige Gesichter. Ihre Werke sind bis Ende Februar auf der Geschäftsstelle der Behindertenhilfe Basel-Stadt «LIV – Leben in Vielfalt» zu sehen. Dort kann man Helenas Bilder und Collagen käuflich erwerben – oder eine Tasche mit Bildaufdruck und einem ihrer Sprüche für Fr. 6.50. Der Erlös des Taschenverkaufs geht auf Helenas Wunsch «a Lüüt, wo tüend chrämpfle» (Menschen mit Epilepsie).

5000 Taschen für eine neurologische Klinik in Togo

Martina Bötticher, Geschäftsführerin LIV, mit Helena und ihrer Mutter Veronika Kisling (vlnr.)

LIV verkauft Taschen von Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung: Martina Bötticher, Geschäftsführerin LIV, mit Helena und ihrer Mutter Veronika Kisling (vlnr.)

5000 Taschen wollen die Initiatoren bis Ende Februar 2017 verkaufen. Der Erlös geht an den Aufbau der neurologischen Klinik von Dr. Kokou Sodjehoun-Brunner in Togo, wo Menschen mit Epilepsie oder anderen Beeinträchtigungen bisher praktisch keine medizinische Versorgung erhielten.

Die Taschen können ab dem 5. Dezember 2016 im neu eröffneten Glücksladen von LIV an der Riehenstrasse 235 in Basel erstanden werden. Bestellungen ab 50 Stück nimmt die Geschäftsstelle LIV entgegen.

Bilder und Wortschöpfungen von Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung

Von klein auf förderte die Künstlerin und Kunsttherapeutin Veronika Kisling das kreative Schaffen ihrer schwer geistig behinderten Tochter. Die gemalten Bilder verwandelt sie in hochwertige Kunstwerke und Produkte. Der Traum der Mutter: Mit künstlerischen Motiven und Wortschöpfungen geistig beeinträchtigter Menschen einen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen – zum Beispiel mit Produktetiketten. So zierte der Spruch «S’Wasser het nie Durscht» mit einem gemalten Helena-Gesicht schon einmal eine Spezialabfüllung der Mineralquelle Gontenbad.

Helena beginnt zu malen

«Am Anfang malte Helena nur Gesichter» (Veronika Kisling führt durch die Ausstellung)

«Am Anfang malte Helena nur Gesichter» (Veronika Kisling führt durch die Ausstellung)

Die Diagnose Tuberöse Sklerose war für die Mutter niederschmetternd. Niemand konnte ihr sagen, ob ihre Tochter das vierte Lebensjahr überhaupt erreichen würde. Doch Helena wuchs heran und irgendwann spannte Veronika Kisling in ihrem Atelier zum ersten Mal auch für Helena eine Leinwand auf. Damit begann eine künstlerische Reise, auf der Mutter und Tochter sich gegenseitig inspirierten. Helena malte fröhliche Gesichter und entwickelte eine unbändige Kreativität. Bei aller Belastung für die Mutter sorgte das Mädchen mit lustigen Einfällen immer wieder für erfrischende Momente.

Bilder, Collagen und sogar Stühle und Lampen entstehen

Auch diese Stühle und Lampen hat Veronika Kiesling mit Bildern von Helena gestaltet

Auch diese Stühle und Lampen hat Veronika Kiesling mit Bildern von Helena gestaltet

Inzwischen ist Helena zwanzig Jahre alt, wohnt bei LIV in einer Wohngruppe und nimmt an den Tagesstruktur-Angeboten teil. Nach wie vor arbeiten Mutter und Tochter künstlerisch zusammen. Die Bilder, Collagen, Stühle, Lampen und Taschen, die an der LIV-Geschäftsstelle am Claragraben gezeigt werden, dokumentieren eine eindrückliche Entwicklung.

 

Ich-bin-da-Produkte: Die Idee für ein Sozialunternehmen nimmt Formen an

Mit unbeugsamem Elan und viel Idealismus widmet sich Veronika Kisling der öffentlichen Sensibilisierung für die Anliegen geistig behinderter Menschen. Es geht ihr um mehr, als um ihr eigenes Schicksal. Es geht ihr um Inklusion. Sie wünscht sich, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung für die Gesellschaft sichtbar werden, dass Begegnungen passieren und dass geistig beeinträchtigte Menschen mit ihren Fähigkeiten ebenfalls einen Beitrag leisten können. Aus ihren Wortschöpfungen und künstlerischen Motiven will die Künstlerin Produkte für den Detailhandel kreieren. Dazu hat sie den Verein Helena gegründet. Geht es nach ihr, werden in den Ladengestellen von Schweizer Detailhändlern bald schon Produkte mit dem Label «Ich-bin-da» stehen.

Das Taschenprojekt wird mitgetragen von

  • LIV Leben in Vielfalt Basel
  • Kindermuseum Creaviva im Zentrum Paul Klee
  • IG Bluemefritz
  • Schloss Herdern/TG
  • Stiftung Sonnmatt Langenbruck/BL

 

Identität: Eine Erkundungsreise zum eigenen Selbst

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Ausstellung «Wer bin ich?» im Vögele Kultur Zentrum

Identität: Wer bin ich?Die Ausstellung «Wer bin ich», im Vögele Kultur Zentrum zeigt ein schillerndes Kaleidoskop an Betrachtungen zum Thema Identität. Als Besucherin tauche ich ein in ein 360-Grad-Universum der menschlichen Persönlichkeit. Am Ende der Entdeckungsreise sind meine Sinne vollgesaugt mit bewegenden Eindrücken und Denkanstössen. Doch das, was jeden einzelnen von uns ausmacht, bleibt mir ein Geheimnis und ein umso grösseres Wunder.

Text: Angela von Lerber

«Wer bin ich? Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen?»

Ausstellung IdentitätIch begebe mich zum Eingang, wo ich einen grünen Pass erhalte, in den ich Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Nationalität eintrage – ergänzt mit Geschlecht, Augenfarbe, Haarfarbe und Grösse. Ich bin jetzt jemand. Von da aus führt mich die weisse Spur am Boden durch die Ausstellung. Ob ich auf dieser Erkundungsreise mir selbst begegne? – Vielleicht.

Ganz sicher aber werde ich den unterschiedlichsten Lebensentwürfen und Persönlichkeitsmerkmalen gegenüberstehen. Zum Beispiel den schwer unterscheidbaren Charakterzügen eineiiger Zwillingspaaren. Oder der Mutter eines transsexuellen Kindes, das schon als zweijähriger Junge beginnt,  gegen das angeborene Geschlecht aufzubegehren. Ich schaue mir ein Filmprojekt an, bei dem Touristen und Flüchtlinge auf Lesbos sich auf eine persönliche Begegnung einlassen. Der Weg führt mich vorbei an Schicksalen, von Checkpoint zu Checkpoint, bis ich im Spiegelkabinett der Psyche ankomme. «Bin ich, wer ich sein möchte?», empfängt mich der Schriftzug über dem letzten Ausstellungraum.

Das Ausstellungskonzept

Die beiden Kuratoren, Pia Marti und Jon Bollmann, beleuchten die menschliche Identität in ihren vielfältigsten Facetten: Was steckt als Anlage bereits fest in unseren Genen? Bestimmen die Sterne unser Geschick oder sind es Herkunftsfamilie und Kultur, in die hinein wir geboren wurden? Prägen einschneidende Lebensereignisse unsere Identität, oder liegt es in unserer eigenen Hand, wie wir unser Selbst ausgestalten?

Zahlreiche Forscher sind sich heute einig, dass vererbte Eigenschaften und äussere Einflüsse sich gegenseitig beeinflussen. Indem wir uns selbst reflektieren und mit der Umwelt interagieren, erschafft sich das Ich immer wieder neu. Die Ausstellungsmacher laden uns ein, uns dieser Komplexität zu stellen. Von Checkpoint zu Checkpoint führen sie uns durch sieben Teilaspekte unserer Identität:

  1. Beginn des Lebens: Dass wir überhaupt entstanden sind, bleibt ein Mysterium.
  2. Herkunft: Die ersten Lebensjahre verbringen wir mit der Familie, in die wir hineingeboren wurden. Dies formt unsere Identität ganz wesentlich.
  3. Kultur: Die Gesellschaft, in die hinein wir geboren wurden, prägt unsere Werte, unsere Traditionen, die Sprache, Religion und Sitten.
  4. Nationalität: Die Geografie, das Heimatgefühl, die politischen Machtkonstellationen sowie Mythen und Legenden unseres Landes bestimmen unsere Wurzeln.
  5. Körper: Unser Aussehen und der Körper sind Teil unserer Identität. Sie verändern sich ständig durch Wachstum, Eingriffe, Unfälle, Krankheiten und das Altern.
  6. Status: Der Wunsch nach Status widerspiegelt unsere Sehnsucht nach Anerkennung.
  7. Psyche: Die Psyche ist das Unfassbarste und dennoch der innerste Kern unserer Identität.

«Erkenne dich selbst!»

Empfangen werden wir als Besucher mit den Worten des Orakels von Delphi: «Erkenne dich selbst», um es gleich anschliessend auf der interaktiven Installation der Künstlerin Mary Corey March zu versuchen: Auf einer mit Ich-Aussagen vollbespickten Pinnwand darf jeder seinen individuellen Lebensfaden auswählen und von Identitätsmerkmal zu Identitätsmerkmal weben. So bildet sich aus den Identitäten der Ausstellungsbesucher ein buntes Gemeinschaftsgewebe.

Leben wir vorbestimmt oder selbstbestimmt?

Der Frage, ob es die Gene sind, die unsere Persönlichkeit bestimmen, geht die dänische Neurobiologin und Journalistin Lone Frank auf den Grund. Die Ausstellung zeigt die Reise ihrer Recherchen in der Arte-Doku «Mein genetisches Ich», die auch auf dem Internet zugänglich ist.

Nationale Identität: Ist unsere Prägung relativ?

Lewis Davidson Identität

Lewis Davidson
Eigtheen Flags, seit 2014. Polyester-Flaggen der
Länder Bahrain, Dänemark, England, Georgien,
Grönland, Indonesien, Japan, Kanada, Lettland,
Monaco, Peru, Polen, Österreich, Schweiz, Singapur,
Tunesien, Türkei und Tonga.
Masse variabel.
Foto: © Hannes Thalmann

Nicht alle Aspekte unserer Identität sind so fix, wie wir glauben. Mit diesem Aspekt setzt sich der Künstler Lewis Davidson in seinem Werk «Eighteen Flags» auseinander. Er relativiert unsere Zugehörigkeit zu einer Nationalität, indem er die rotweissen Polyesterflaggen von 18 Ländern auftrennt und einzeln als Fadenknäuel präsentiert: Worin unterscheiden sie sich jetzt noch?

 

 

 

 

 

Kombination von Themenschau und künstlerischer Auseinandersetzung

Ausstellung IdentitätDas Einzigartige an dieser Themenschau ist, dass sie informative und experimentelle Elemente mit Werken zeitgenössischer Künstler kombiniert. Das Vögele Kultur Zentrum sei schweizweit das einzige Haus mit diesem ganzheitlichen Ansatz, lasse ich mir von Nadia Sambuco sagen, die beim Kulturzentrum für die Kommunikation zuständig ist.

Müsste ich jede Station beschreiben, die mich tief beeindruckt hat, nähme dieser Beitrag kein Ende. Die Ausstellung zeigt einen Reichtum an Betrachtungsweisen und Formen der Auseinandersetzung, aus denen ich nur ungern wieder entlassen werde. Das Thema Identität betrifft jeden einzelnen von uns. Ob er nun etwas auf sich hält, oder sich am Rand der Gesellschaft bewegt. Ich wünsche der Ausstellung deshalb, dass viele sie besuchen und mit gestärktem Selbstbewusstsein wieder verlassen.

Hommage an Emil Manser

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Über einen, der es allen zeigte

Emil_Manser_Ist_mir_grosse_EhreAm 3. August 2004 nahm sich Emil Manser in Luzern das Leben. Vom Brückengeländer liess er sich in die Reuss fallen, trieb flussabwärts und wurde erst am nächsten Tag tot aufgefunden. Auf der Brücke hinterliess er ein Kartonschild mit der Aufschrift „Krebs – wählte Abkürzung in den Himmel“. Angehörige und Bekannte versuchten herauszufinden, wie es um seine Krankheit stand, doch kein Arzt wusste von einer Krebserkrankung.

Vermutlich sprach Manser von einem anderen Krebs. Dem Krebs, der seine Seele zerfrass.

Text: Angela von Lerber

Stadtoriginal, Strassenphilosoph und Störenfried

Ich habe Emil Manser nie persönlich getroffen. Seinen Namen kannte ich vom Hörensagen, als ich in der Zeitung von seinem Abgang las. Die Öffentlichkeit war bestürzt. Man schreib über ihn als Stadtoriginal, das zum Strassenbild von Luzern gehörte. Er, der zu Lebzeiten nie dazugehörte, wurde betrauert und geehrt.

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