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Büro für leichte Sprache

Leichte Sprache: Schlüssel zur Teilhabe oder einfach ein erster Schritt?

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Angela von Lerber ist das Gesicht hinter phil-rouge: Sie konzipiert, schreibt und kreiert Content für On- und Offline-Publikationen.
Angela von Lerber
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Cornelia Kabus vom Büro Leichte Sprache Basel im Gespräch

Das Büro Leichte Sprache in Basel gehört zur Stiftung WohnWerk, einer Institution für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung. Im Auftrag von Organisationen, Behörden – und immer häufiger auch von Unternehmen – überträgt die Leiterin, Cornelia Kabus, anspruchsvolle Texte in leichte Sprache. Leichte Sprache richtet sich an Menschen, die Mühe haben, Schrifttexte ohne fremde Hilfe verstehen zu können. So einfach es klingt, das Übertragen von Texten in leichte Sprache ist ein langwieriger Prozess. Bei der Stiftung WohnWerk stehen Cornelia Kabus  dazu fünf Prüferinnen und Prüfer zur Seite. Ihnen obliegt im Rahmen einer geschützten Arbeitsstelle die Aufgabe, die übertragenen Texte an die Linguistin zurück zu spiegeln. Oft werden Verständnislücken erst in diesem Prozess offenbar. Wie anspruchsvoll es sein kann, sich in die Wahrnehmung der Zielgruppe hineinzuversetzen, erfahren wir im Gespräch mit Cornelia Kabus:

Cornelia Kabus, auf Ihrer Website unterscheiden Sie zwischen leichter Sprache und einfacher Sprache? – Können Sie dazu etwas sagen?

Grob gesagt richtet sich die leichte Sprache vor allem an Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Es sind Menschen mit deutscher Muttersprache, die zwar lesen können, für die aber das Verständnis – insbesondere der Schriftsprache – ganz schwierig ist. Oft verstehen sie ganze Konzepte nicht, zum Beispiel die Mathematik. Jemandem, der nicht rechnen kann, die Bedeutung von 10 % zu erklären, ist schwierig. Dazu müsste man erst einmal eine Mathematikstunde einschalten.

Bei der einfachen Sprache ist die Zielgruppe eine andere. Das können Menschen mit einem Migrationshintergrund sein. Diese kennen zwar durchaus die Konzepte, sind aber der deutschen Sprache nicht so mächtig. Deshalb brauchen sie weniger Erklärungen. Auch werden diese Menschen irgendwann nicht mehr auf die einfache Sprache angewiesen sein. Nämlich dann, wenn sie sich die Sprache angeeignet haben. Die einfache Sprache bewegt sich irgendwo zwischen der leichten Sprache und der Standardsprache. Wenn man die Zielgruppe kennt, kann man den Grad der Vereinfachung anpassen – je nachdem, auf welchem Niveau sich das Verständnis bewegt.

Nehmen wir das Beispiel der 10 % auf, das Sie vorhin erwähnt haben. Wie erklären Sie 10 % in leichter Sprache?

Die leichte Sprache stösst an Grenzen, wo man pragmatisch sein muss. Ich kann zum Beispiel sagen: ein kleiner Teil. Oder ich stelle die Mengenangabe grafisch dar und zeige, wie viel das Ganze wäre und wie viel 10 % davon. Ich kann auch bildlich sprechen: Man schneidet einen Kuchen in zehn Stücke – ein Stück ist dann 10 % davon. Meistens haben wir es allerdings nicht mit runden Zahlen zu tun, bei 17 % wird es schon schwieriger. Es gibt bei der leichten Sprache häufig Dinge, die man aus pragmatischen Gründen einfach weglassen muss. Denn wenn wir ein Lexikon an Erklärungen anhängen, ist die Zielgruppe genauso überfordert.

Arbeiten Sie primär am Wortschatz? – Oder wie gehen Sie konkret vor?

In meinen Weiterbildungen zu einfacher oder leichter Sprache unterscheide ich zwischen Zeichenebene, Wortebene, Satzebene und Textebene. Zum Schluss kommt noch die Gestaltungsebene dazu. Wir arbeiten uns von der kleinsten zur grössten Ebene vor. Auf der Wortebene lässt sich übrigens gar nicht so viel machen, wie man denkt. Es ist eben keine Übersetzung, sondern eine Übertragung in leichte Sprache. Zum Beispiel Fachwörter sind so eine Sache. Für sie gibt es kein einfaches Äquivalent. Ich kann ja nicht einfach ein Wort erfinden, das einfacher klingt. Wenn ein Fachbegriff wichtig ist, muss ich ihn so stehen lassen und erklären, was er bedeutet. Am meisten zu tun gibt es auf der Satzebene. Die leichte Sprache kennt ausschliesslich Ein-Aussage-Sätze. Das sind Hauptsätze mit nur einer Aussage ohne Nebensatz. Leichte-Sprache-Texte sind Listen ohne Satzzusammenhalt. Jeder Satz fängt in einer neuen Zeile an. Und leichte Sprache ist immer ganz konkret.

Wann kommen die Prüferinnen und Prüfer ins Spiel?

Die kommen nur bei der leichten Sprache ins Spiel. Ich orientiere mich hier an den Schwächsten. Wenn die es verstehen, dann kann ich hoffen, dass die übrigen es auch verstehen. Mein Prüferteam hier beim WohnWerk besteht aus fünf Personen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Bei der Zusammenstellung habe ich darauf geachtet, dass die Gruppe möglichst heterogen ist: mit schwerer oder weniger schwerer Beeinträchtigung, Männer, Frauen, ältere und jüngere Personen. Davon ausgehen, dass sie mir nach der Lektüre sagen, sie hätten dieses oder jenes nicht verstanden, kann ich allerdings nicht. Das sind Menschen, die sich ein Leben lang Strategien angeeignet haben, um sich nicht anmerken zu lassen, dass sie etwas nicht verstanden haben. Ich muss sie aufmuntern: ‚Toll, wenn ihr etwas nicht versteht, Ihr seid jetzt die Experten‘. Auch wenn ich es hundertmal sage, ich muss doch immer wieder herausspüren, dass sie etwas nicht verstanden haben und versuchen, es zu kaschieren. Ich stelle dann offene Fragen und lasse sie nacherzählen, was in dem Text steht. Oder ich lasse den Text laut vorlesen und merke an der Betonung des Wortes, dass es nicht verstanden wurde. Kürzlich hatten wir in einem Text den Satz: «Für wen ist die Hausordnung?» – Der Prüfer las vor: «Für ‚wenn‘ ist die Hausordnung?» Als ich nachhakte, stellte sich heraus, dass er verstand, für welchen Zeitpunkt die Hausordnung gedacht sei. So konnten wir das klären.

Ich bin nun bald fünf Jahre dabei und weiss, wie ich es angehen muss. Dennoch gibt es immer wieder neue Formulierungen, bei denen ich nie draufgekommen wäre, dass man sie auch anders verstehen könnte.

Ihr Büro in Basel war das erste Büro für leichte Sprache in der Schweiz. Wie kam es dazu?

Ursprünglich wurde die leichte Sprache in den USA angedacht, in Schweden griff man die Idee dann auf. Zunächst gab es nur die einfache Sprache und die leichte Sprache entwickelte sich daraus später. In Deutschland gibt es die leichte Sprache seit 2002. Nachdem immer mehr Büros für leichte Sprache entstanden sind, richtete die Universität Hildesheim eine Forschungsstelle ein und fand heraus, dass die leichte Sprache, wie sie bis dahin praktiziert worden war, teilweise gar nicht zur besseren Verständlichkeit beigetragen hatte. Vor allem aber fiel auf, dass es für die Übersetzer keine Handhabe gab, auf die sie sich stützen konnten. So wurde das Thema, das von sozialpädagogischer Seite initiiert wurde, erstmals von der linguistischen Seite angegangen. Dank dieser Forschung stehen uns heute eben diese Tipps zur Verfügung, wie man zum Beispiel Schachtelsätze in einzelne Hauptsätze auflösen kann. Die Forschungsstelle Leichte Sprache in Hildesheim bot dazu eine Weiterbildung an, die ich schon kurz nach der Gründung unseres Büros besuchte. Das war sehr wertvoll. Ich informiere mich dort immer noch regelmässig über neue Erkenntnisse.

Inzwischen gibt es auch in der Schweiz mehrere Büros für leichte Sprache. Arbeiten Sie in irgendeiner Form zusammen?

Wir arbeiten alle unabhängig. Wir müssen uns ja alle irgendwie finanzieren. Und das ist leider nicht von irgendeiner unabhängigen Stelle gewährleistet. Wir sind alle am Kämpfen, wie überall in der Kommunikation. Im Gebiet der leichten Sprache ist es noch schlimmer, weil da der Aufwand viel grösser ist. Eigentlich müssten wir ja die doppelten Tarife verlangen, aber das ist unrealistisch, da wir ja meist für soziale Organisationen arbeiten. Es gibt ein Netzwerk ‚Leichte Sprache Schweiz‘. Gerade kürzlich hatten wir ein Netzwerktreffen, zu dem aber nur acht Personen gekommen sind. Die Leute überlegen sich eben, ob ihnen der fachliche Austausch mit anderen einen halben Tag wert ist. Ich persönlich finde es sehr wertvoll.

Wenn Sie einen Wunsch im Hinblick auf die leichte Sprache anbringen könnten, welcher wäre das?

Da gibt es zwei Wünsche: Der eine wäre, dass die Dienstleistung irgendwie staatlich finanziert würde. Denn ich finde, das wäre eigentlich eine Aufgabe der Gesellschaft. Wenn man wirklich Inklusion will, kann man dies nicht auf dem Rücken einiger sozialer Institutionen austragen lassen, sondern muss sich insgesamt darum kümmern.

Zum anderen würde ich mir wünschen, dass Inklusion und Teilhabe auch auf anderer Ebene noch stärker vorangetrieben würden. Für meinen Geschmack konzentriert man sich zu stark auf leichte Sprache und sagt: «Wir haben ja jetzt unsere Website übersetzt.» Der Bund zum Beispiel übersetzt sehr viel in leichte Sprache, weil er die Behindertenrechtskonvention umsetzen will. So nach dem Motto: «Wir haben unser Behindertenkonzept in leichte Sprache übersetzt. Wunderbar, jetzt haben wir unsere Pflicht erfüllt.» Das Problem dabei ist, dass die Realität eine andere ist. Menschen mit einer Beeinträchtigung haben nie gelernt, dass sie ein Mitspracherecht haben. Die wissen gar nicht, was das ist. Die wissen noch nicht mal, was es bedeutet, sich selbst zu informieren. Wenn ich sie frage, wie würdest du hier oder da entscheiden, haben sie keine Ahnung. Wenn man wirklich will, dass sie abstimmen dürfen, dann müsste man ihnen erst einmal erklären, was überhaupt Politik ist. Viele kennen noch nicht einmal den Begriff. Es gibt natürlich Grenzen. Kognitive Grenzen. Aber viele von ihnen könnten auf jeden Fall sehr viel mehr. Viele könnten viel selbstständiger sein, werden aber vom System unselbstständig gehalten. Da müsste auf vielen Ebenen noch sehr viel laufen, damit sie inkludiert werden und mehr Möglichkeiten haben, mitzuentscheiden. Es reicht nicht zu sagen: Hier habt ihr einen Text, jetzt informiert euch und nun seid ihr selbst verantwortlich. Für Teilhabe braucht es mehr als einen Text in leichter Sprache. Wenn auch die leichte Sprache ein sehr wertvolles Instrument dazu ist. Aber sie ist eben nur ein Instrument.

Links:

Leichte Sprache – das Regelbuch, Prof. Christiane Maaß, Forschungsstelle Leichte Sprache, Universität Hildesheim: https://www.uni-hildesheim.de/media/fb3/uebersetzungswissenschaft/Leichte_Sprache_Seite/Publikationen/Regelbuch_komplett.pdf

Das Büro Leichte Sprache bietet regelmässig Weiterbildungen in leichter Sprache an. Informationen dazu gibt es hier: https://www.leichte-sprache-basel.ch/Unser-Angebot/Weiterbildung/PvUZq/

 

 

Leitbild Leichte Sprache

Leichte Sprache: wie sie Worthülsen aufdeckt

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Leichte Sprache schwere Sprache

Leichte Sprache soll für die, an die sie gerichtet ist, etwas Leichtes sein. Für die, die sie schreiben, ist sie alles andere als leicht. Wer – wie die meisten, die diesen Beitrag lesen – seine Muttersprache beherrscht und mit ihr zu spielen vermag, verfügt über ein mächtiges Werkzeug. Mit unserer ausgefeilten Sprachfertigkeit können wir komplexe Zusammenhänge erklären, Sachverhalte präzisieren, Argumente formulieren, unsere Meinung vertreten, verteidigen und darüber hinaus auch das gesamte Spektrum menschlicher Gefühle abrufen. Über Sprache setzen wir Akzente, lassen Erinnerungen anklingen, rücken Dinge ins rechte Licht oder ins falsche, verpacken Hiobsbotschaften in Watte, überhöhen Fakten oder drängen sie in die Ecke der Bedeutungslosigkeit. Mit Sprachwitz und Ironie vermögen wir das Denken zu stimulieren. Mit zynischem Sarkasmus speien wir tödliches Gift.

Leichte Sprache – direkt und konkret

Für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung oder Personen mit eingeschränktem Sprachverständnis ist dieser Nuancenreichtum ein Buch mit sieben Siegeln. Sie haben zwar lesen gelernt, aber das Verständnis – insbesondere der Schriftsprache – ist schwierig für sie. Was zwischen den Zeilen steht oder an ein Konzept anknüpft, das ihnen fremd ist, geht verloren. Komplexe Inhalte bleiben ihnen verschlossen. Damit auch Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung an der Gesellschaft teilhaben und sich selbstständig informieren können, haben private und öffentliche Institutionen damit begonnen, Informationen in leichter Sprache zur Verfügung zu stellen. Leichte Sprache ist immer konkret. So sind die Textübertragungen äusserst aufschlussreich, nicht nur für die Menschen, für die sie gedacht sind.

Leichte Sprache kann zu denken geben

Der Journalist Holger Fröhlich stellt regelmässig für das Wirtschaftsmagazin brandeins Texte in leichter Sprache zusammen, Gesetzesparagraphen zum Beispiel. Seine Einführung lautet: «Die Leichte Sprache richtet sich vorwiegend an Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Behinderungen – vielleicht hat sie aber noch größeres Potenzial?» Wer sich die Kostproben zu Gemüte führt, wird sich ein Schmunzeln über die Sprengkraft der leichten Sprache für komplizierte Menschen nicht verkneifen können. Einige davon sind kabarettreif.

Leitbilder in leichter Sprache

Vor kurzem hat die Geschäftsstelle von LIV – Leben in Vielfalt, der kantonalen Angebote für begleitetes Wohnen Basel-Stadt, ihr Leitbild in leichte Sprache übertragen lassen. Das hat mich veranlasst, Cornelia Kabus vom Büro Leichte Sprache über ihre Arbeit zu befragen. Zum Auftrag von LIV sagt die studierte Linguistin:

«Leitbilder sind immer herausfordernd. Da kommen die immer gleichen symbolhaften Aussagen vor. Zum Beispiel der Begriff ‚Leuchtturm‘. Der Ausdruck klingt wunderschön, ist aber eben nicht sehr konkret. In der leichten Sprache ist es wichtig, ganz konkret zu sein. Da kann man nichts verhüllen. Man kann keine Andeutungen machen oder zwischen den Zeilen durchschimmern lassen. Und man kann auch nicht lügen. Jede Aussage muss konkret sein.»

An diesem Punkt muss Cornelia Kabus jeweils nachhaken. Was ist konkret gemeint mit all den wohlklingenden Aussagen? Es täte wohl manchem Leitbild gut, in leichte Sprache übertragen zu werden, bevor es in die Kommunikation einfliesst – so quasi als Lackmustest für Substanz und Umsetzbarkeit der wohlformulierten Leitlinien.

Installation im Schreibhaus von Joelle Valterio

Zur Schreibhaus-Eröffnung in Burgdorf

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«Jeder Ort sollte ein Schreibhaus haben», ist Hausherr Ivo Knill überzeugt. Das Schreibhaus bietet, was viele Schreibende vermissen: einen ersten geschützten Resonanzraum für ihre Texte.

12.11.2017, von Angela von Lerber

Letzten Samstag öffnete in Burgdorf das Schreibhaus seine Pforten und lud zum grossen Einweihungsfest. Eine Schreibretraite im Vorfeld liess Texte entstehen, die an diesem Tag erstmals vor Publikum gelesen wurden. Das Schreibhaus bietet, was viele Schreibende vermissen: einen ersten geschützten Resonanzraum für ihre Texte.

Schreibhausmeister Ivo Knill führte die zahlreich angereisten Gäste durchs Haus: Im Keller auf der alten Werkbank warteten lange Packpapierstreifen für Schreibexperimente entlang der eigenen Biografie. Dort, in der ehemaligen Gerberei, begann die Führung mit einer ersten Lesung von Texten, die grösstenteils hier im Haus entstanden sind.

Literatur im Schreibhaus

Das Schreibhaus ist eröffnet

Die nächste Station führte ins Büro, wo der Hausherr selbst arbeitet und schreibt. Im kleinen Pavillon auf der Veranda wartete eine Installation von Joëlle Valterio auf die Gäste. Die Künstlerin hatte in den vergangenen Tagen einen kleinen Zen-Garten geschaffen und mit Steinen und Papierskulpturen belebt. Wispernde Texte umgarnten hier den Besucher.

Weiter führte die Erkundungsreise in die Küche, wo bereits eine warme Suppe vor sich hin köchelte, von da in die gute Stube, die Treppe hoch vors alte Lehrerpult und hinauf zu den Gästezimmern. An jeder Station bekam man frisch geschriebene Texte zu hören. Zum Abschluss las Ivo Knill von oben aus der Estrichluke erste Sätze aus seinem aktuellen Schreibprojekt «Der Himmel meines Bruders».

Schreiben als gemeinschaftlicher Prozess

Mit dem Schreibhaus erfüllt sich der Germanist und Gymnasiallehrer einen langjährigen Traum: eine Schreibstätte, wo Texte ihre Form finden und Literatur eine erste lebendige Öffentlichkeit. Das Schreiben begleitet ihn seit seiner Kindheit. Schreibend reflektiert er persönliche Erlebnisse und erforscht seit vielen Jahren im Freundeskreis einen körperlichen Zugang zur kopflastigen Akt des Schreibens: essend, tanzend und spielerisch. Weg vom einsamen Schreibtisch in die inspirierende Gemeinschaft. Das Schreibhaus will literarische Impulse setzen. Der Hausherr fühlt sich beglückt. Die Geschichten kommen zu ihm. Er darf sie einfach sammeln. So, wie die Geschwistergeschichten der Burgdorfer Kulturnacht vom 21. Oktober, die auf dem Schreibhaus-Blog zu lesen sind.

Ein Rückzugsort zum Schreiben und ein Gegenüber zum Austauschen

«Jeder Ort sollte ein Schreibhaus haben», meint Ivo Knill in seiner Eröffnungsrede. Zwischen den Mauern seines dreihundertjährigen Altstadthauses in Burgdorf, wo früher handfestes Handwerk betrieben wurde – die unteren Räume beherbergten früher eine Schuhmacherwerkstatt, eine Spenglerei, eine Gerberei – zwischen diesen schlummern schon die Geschichten.

Im Dachstock, wo früher die beiden Töchter schliefen, haben Ivo und seine Frau Sonja vier Zimmer für Schreibende eingerichtet. «Write and Be» heisst das Angebot für Gäste. Nicht nur literarische Texte können dort entstehen. Auch Texte für die eigene Website, Diplomarbeiten, Buchprojekte oder Essays. Endlich ein Ort, wo man nicht abgelenkt ist. Der Hausherr steht den Schreibenden zum Zwiegespräch und Reflektieren der Texte zur Verfügung.

Der Kalligraf: magischer Poet der Vergänglichkeit

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Begegnung mit einem Kalligrafen der besonderen Art

25.11.2016, von Angela von Lerber

Strassen-Kalligraf

Schriftzeichen aus Wasser

Auf einer Spaziermeile in Kunming steht der Kalligraf plötzlich auf dem Gehsteig: ein Mann mit Strohhut, der einen überdimensionierten Kalligrafie-Pinsel in seinen mitgebrachten Wasserkübel taucht. Bedächtig lässt er ihn abtropfen, taucht ihn mehrmals wieder ein, um endlich damit zu beginnen, kunstvoll chinesische Schriftzeichen auf den Asphalt zu malen.

Ein Stück Poesie – nur für den Augenblick

Strassen-Kalligraf

Kalligraf der Vergänglichkeit

Die Passanten stehen im Halbkreis. Jeder Strich wird begutachtet und kommentiert. Was der Kalligraf wohl schreiben mag? – Sind es eigene Texte? – Sind es traditionelle Gedichte aus der chinesischen Literatur? – Oder sind es bekannte Zeilen des Konfuzius?

Wie auch immer: Mit ruhiger Hand und schwungvollem Strich malt der Mann  perfekte Schriftzeichen auf den Boden. Die Zuschauer, die etwas davon zu verstehen scheinen, nicken anerkennend.

Lange betrachtet der Kalligraf sein fertiges Werk. Bis allmählich die ersten Zeichen zu verdunsten beginnen, zunächst unlesbar werden, um sich schliesslich ganz in Luft aufzulösen. – Worin lag nur der Sinn des verschwundenen Textes und des vergeblichen Schaffens des Kalligrafen?

Der magische Moment des Verschwindens

Der Kalligraf schrieb seine Zeilen nicht für die Ewigkeit. Nur wenige Minuten blieb sein Werk bestehen. Was zählte, war der Augenblick. Die Hingabe und die Konzentration beim Malen, der Moment der Vollendung. – Doch beim Verschwinden lag in der Luft ein magischer Reiz. Lange standen die Menschen und schauten. Bis das letzte Fleckchen Nass entschwunden war.

Dass manches vergänglich ist, sollten wir vielleicht etwas weniger tragisch nehmen. Es ist auch tröstlich. Und vielleicht liegt das ja Geheimnis darin, dass wir die Dinge ziehen lassen.

Musenkuss: Vom Warten auf Inspiration

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Bestimmt kennen auch Sie die Angst vor dem leeren Blatt. Journalistinnen und Werbetexterinnen kennen sie genauso wie Führungskräfte und Hausfrauen. Oder wissen Sie immer sofort, was Sie schreiben wollen, wenn Sie Glückwünsche zum Geburtstag oder eine originelle Einladung formulieren sollten? – Allzu oft bleibt die Stimmung für kreative Einfälle einfach aus. Da hilft alles Warten auf Inspiration nichts.

Text: Angela von Lerber

Die Inspiration weht, wo sie will

Die lateinische Herkunft des Wortes verrät uns einiges über das Wesen der Inspiration: Inspiration leitet sich von „spirare“ ab – blasen, wehen, hauchen. Inspiration ist flüchtig wie der Wind, und bei Bedarf lässt es sich nicht einfach nach ihr greifen wie nach dem Bleistift oder dem Kugelschreiber. Der Hauch der Inspiration erfasst uns unerwartet und oft in den unmöglichsten Situationen: unter der Dusche, im Bus, beim Spazierengehen – jedenfalls meist dann, wenn wir gerade nichts zum Schreiben dabei haben.

Beobachten und Sammeln

Kreative Aufgaben dürfte man nicht auf Knopfdruck lösen müssen. Mit Ideen muss man „schwanger“ gehen, bis unvermittelt der richtige Einfall herbeiflattert. Ich persönlich habe mir angewöhnt, für den Fall, dass mich die Muse küssen sollte, immer und überall Stift und Notizbuch dabei zu haben. Ich notiere alles: Beobachtungen, Gesprächsfetzen, Schriftzüge, Bilder, Gedankenblitze. Denn so plötzlich und unerwartet einem manche Idee zufliegt, so schnell ist sie wieder weg und verschwunden. Wenn dann später unter Zeitdruck einfach gar nichts kommen will, dann blättere ich in meinem vollgekritzelten Nonsense-Büchlein und lasse mich von früheren Gedankenblitzen inspirieren.

Worte sind (Fast-)Alleskönner

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